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Leserbrief zum Artikel Russland lässt Coronaimpfstoff zu vom 12.08.2020:

Beispielloses Wetteifern

Kaum ein Thema in der Welt, das sich nicht zur Diskriminierung von Putin und Russland eignet. Letzte Woche hörte ich: »Putin überlässt den Kampf gegen Corona dem Moskauer Oberbürgermeister. Er selbst hat sich um seine Machterhaltung zu kümmern.« Da frage ich mich, was die CDU- Spitze in Berlin eigentlich macht. Überlässt sie den Kampf gegen die Pandemie Spahn und Söder? Als nun Putin bekanntgab, dass in Russland ein Impfstoff zugelassen werden kann, der aller Wahrscheinlichkeit eine hohe Effizienz aufweisen könne, erhob sich in den Medien ein überhebliches und arrogantes Geschrei, und mit Besserwisserei wurden die Russen belehrt. In den Chor mischten sich Journalisten wie der FAZ-Mann Müller-Jung: »Das rücksichtslose intransparente Vorgehen lässt Schlimmes befürchten: Wird die Welt je über Sicherheit und Wirksamkeit der russischen Vakzine informiert?« Spahn unterstellte den Russen »unsaubere« Arbeit, und der BRD-Ärztekammer-Chef Reinhard empörte sich über »Putins Murks« als »gigantisches Massenexperiment«. Übrigens gleichen diese Unterstellungen den Reaktionen des Westens auf den ersten rekombinanten Ebola-Vektorvirus-Impfstoff, der auch aus Russland kam. Schon damals wurden als Vektor Adenoviren verwendet, die das Gen für ein Ebolavirus-Hüllprotein tragen, sich aber nicht in menschlichen Zellen vermehren können. Diesmal wurde das Gen für ein Spike-Protein des neuen SARS-CoV-2 in diesen Vektor integriert, um eine Immunität gegen den Erreger von Covid-19 auszulösen. Der Impfstoff wurde vom namhaften Moskauer Nationalen Gamaleya-Forschungszentrum für Epidemiologie und Mikrobiologie entwickelt und hat inzwischen auch Interesse in Israel und Brasilien gefunden. Von Interesse ist, dass ein ähnlicher britischer Vektorvirus-Impfstoff auf der Basis rekombinanter Adenoviren der Firma Astra Zeneca Life Science seit Juni 2020 in Brasilien klinisch geprüft wird.
In China wurde ebenfalls ein rekombinanter Adenovirus-Vektorimpfstoff entwickelt und klinisch getestet.
Zur schnelleren Zulassung von Impfstoffen gibt es übrigens auch in der EU das »PRIME«-Zulassungsverfahren, das die frühe Registrierung unter streng kontrollierten Bedingungen ermöglicht.
Momentan findet weltweit ein beispielloses Wetteifern um den ersten Impfstoff gegen Covid-19 statt, bei dem politische und ökonomische Interessen auf allen Seiten im Vordergrund stehen. Typischer Indikator dafür ist der aktuelle Börsengang des deutschen Unternehmens Curevac aus Tübingen, das erstmals einen mRNA-Impfstoff auf den Markt bringen will.
Was soll also das Geschrei der Politiker und anderer medizinischer Laien? Agieren sie als Lobbyisten für westliche Mitbewerber auf dem Pharmamarkt? Egal, wer das Rennen auf unserem Markt gewinnt, wir Beitragszahler der GKV werden ärmer und die Aktionäre der Pharmaindustrie und ihre Lobbyisten immer reicher.
2008 hörte ich: »Ihr Geld ist nicht weg, es haben nur andere«, wie heute auch wieder.
Dr. Gerd Machalett, Siedenbollentin
Veröffentlicht in der jungen Welt am 18.08.2020.
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