Leserbrief zum Artikel Nawalny: Bundeswehr spricht von Kampfstoff
vom 03.09.2020:
Zu viele Fragen offen
Nach nun mehr als einer Woche haben die »Spezialisten« der Bundeswehr endlich herausgefunden, womit man den »Kremlkritiker« Nawalny vergiftet hat. Das ist natürlich sofort wieder der Anlass, härtere Sanktionen gegen Russland zu fordern. Dabei ist Deutschland immer an erster Stelle. Ich habe die Vermutung, dass der Wortschatz des Außenministers der BRD, wenn es gegen Russland geht, nur noch das Wort Sanktionen enthält! Für mich stellt sich aber eine ganze Reihe von Fragen: warum erst nach einer Woche? Brauchte man so lange, um die Verantwortlichen im Labor zu überzeugen, was man zu finden hat? Wer die Symptomatik einer Vergiftung mit nervenschädigenden Kampfstoffen (z. B. Sarin, Soman und auch Nowitschok) kennt, stellt sich die Frage, wie Nawalny es geschafft haben soll, in das Flugzeug zu kommen. Die markantesten Anzeichen einer solchen Vergiftung sind Pupillenverengung, Sehstörungen, Nasen-, Tränen- und Speichelfluss, Schweißausbrüche und Kopfschmerzen. Im weiteren Verlauf kommen Muskelzittern, Atemnot, Erbrechen, unkontrollierter Stuhl- und Harnabgang, Verwirrtheit und Bewusstlosigkeit dazu. Ohne Gegenmaßnahmen droht der Tod durch Atemlähmung oder Kreislaufkollaps. Bei Aufnahme mit der Nahrung (Tee) führen geringste Mengen zum Tod! Was ist denn mit der oder den Personen geschehen, die dieses Gift in den Tee gegeben haben sollen? Hatten die Schutzausrüstung angelegt? Weiterhin stellt sich die Frage, warum die deutsche Seite bisher nicht auf die Bitte der russischen Seite, ihnen die Untersuchungsergebnisse zur Verfügung zu stellen, reagiert. Was ist auf dem Flug von Omsk nach Berlin eigentlich getan worden? Sofort wird, wie auch in allen anderen Fällen (Skripal, »MH 17« ...) die russische Seite beschuldigt, und natürlich hat Präsident Wladimir Putin selbst den Auftrag gegeben. Es ist doch seltsam, dass bei all den Fällen die Bitte der russischen Seite, an den Untersuchungen teilzunehmen, abgelehnt wurde. Vielleicht, weil man etwas zu verbergen hat? Es wäre doch schön, wenn diese Praxis des Ausschließens endlich beseitigt würde. Aber daran glaube ich nicht!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 03.09.2020.