Leserbrief zum Artikel Grüne: Kauf von Wohnungen erleichtern
vom 16.02.2021:
Was ist »konservativ«?
»Konservativ ist, dass man von seiner Hände Arbeit leben können muss und der Lohn dafür ausreicht«, sagte Grünen-Chef Robert Habeck der Bild (siehe »Zitat des Tages« vom 22.2.). »Konservativ« bedeutet wohl schon seit dem Gegenaufklärer Edmund Burke nicht mehr, was die lateinische Wortherkunft nahelegt: auf Bewahrung gerichtet. Erhard Eppler, ein früher Ökologe in der SPD, schlug Mitte der 1970er Jahre in »Ende oder Wende« die Unterscheidung von Struktur- und Wertkonservatismus vor. Ersteres sollte jenen tendenziell mehr destruktiven als »bewahrenden« politischen Konservatismus bezeichnen, letzterer bei Eppler die Erhaltung einer bewohnbaren Welt. Leider wird auch »wertkonservativ« inzwischen gegenteilig missbraucht, wenn »Werte« dabei verkrustete Normen im Stil der verklemmt restaurativen 1950er Jahre meint wie zum Beispiel in der »Werte-Union«.
Eppler vermutete auch, dass sich die notwendige Scheidelinie eines von ihm ökologisch verstandenen, also existentiellen Wertkonservatismus »quer durch alle Parteien« (der damaligen BRD) ziehen werde. Tatsächlich hatte selbst die FDP ihre »Freiburger Thesen« zum Umweltschutz (!). Bis heute kursiert in der Union – wie auch seriöser in beiden Großkirchen – der Slogan von der »Bewahrung der Schöpfung«. Sehr unklar bleibt dabei, wieso dann die »konservative« ÖVP kürzlich sogar Wirtschaftswachstum als Ziel mit Verfassungsrang vorschlug (!), wieso der »konservative« Parteichef Armin Laschet tatkräftig die Windenergie ausbremsen will, wieso er den Braunkohlekonzernen jeden Wunsch von den Augen abliest, Dörfer zerstören lässt, Ausreden zum Räumen von Baumhäusern sucht, auch: wieso er nicht davor zurückschreckt, mit der FDP zu koalieren, was ihm sage und schreibe ein Promille Wählerstimmen erst formal gestattete (2017 erhielt Die Linke in Nordrhein-Westfalen 4,9 Prozent, bei fünf Prozent gäbe es keine »schwarz-gelbe« Mehrheit)! Was, bitte, wäre an alledem im Sinne Epplers »wertkonservativ«? Und wieso wenden sich seit Herbert Gruhl so wenige Unionsanhänger und -mitglieder wenigstens der ÖDP zu?
Im Kontext der klassischen Orientierung von Teilen der Union am Klerikalen wäre immerhin anzuerkennen, dass der Kanzlerin – im Unterschied zu ihrem »Verantwortungs«-Zyniker Thomas de Maizière – Ethik nicht immer völlig egal war: vom Ausschluss Martin Hohmanns 2003, als es zeitgleich zum Ausschluss Philipp Mißfelders (JU) leider nicht reichte, über ihr Engagement für eine halbwegs humane Willkommenskultur 2015 bis hin zu den gerade noch haltenden Dämmen gegen eine Kooperation mit der AfD, wobei zu fragen wäre, inwieweit sich CSU oder die CDU Thüringen und die CDU Sachsen schon zu stark von AfD-Phrasen inspirieren ließen.
Vor allem könnte die Union erst dann ernsthaft »wertkonservativ« werden, wiese sie ihre Brutalo-Rechten intern rechtzeitig klar genug in die Schranken. An Merz vorbeigeschrammt zu sein, genügt nicht: Der erzielte als Zweitplazierter furchterregende Stimmergebnisse; und soll Laschet angeblich vage für eine Art opportunistischen Merkel-Kurs stehen, zeigt seine Anti-Windkraft-Politik leider das Gegenteil. Auch gehört die scheidende Kanzlerin der moderateren der beiden Großkirchen an, Laschet hingegen den Ultramontanen wie einst der strukturkonservative Heinrich Brüning oder der wertkonservative Matthias Erzberger (beide Zentrum).
Da nun »Grün-Schwarz« am Horizont dräut, wären die Grünen gut beraten, sehr strikte grüne Haltelinien in jede Verhandlung mitzunehmen und Koalitionen mit der Union im Zweifelsfall auch zu kündigen, wie es die SPD leider niemals ernsthaft versuchte. Die Kompromissunfähigkeit der Union macht sie kaum koalitionsfähig, doch sollten die Grünen den Spieß herumdrehen: Vor allem energiepolitisch müssen eben zuerst und vor allem ihre Forderungen umgesetzt werden, da soll die Union mitmachen oder die Koalition verlassen; übrigens wäre allein eine zukunftsfähige Energiepolitik »wertkonservativ«. – Hessen ist leider keine gute Blaupause mehr: Schaffte Tarek Al-Wazir anfänglich noch eine respektable ÖPNV-Ausweitung, so war die brutal durchgesetzte Räumung des Danneröder Waldes für eine völlig überflüssige Autobahn natürlich das Gegenteil von »Bewahrung der Schöpfung«, das Gegenteil von Wertkonservatismus.
Eppler vermutete auch, dass sich die notwendige Scheidelinie eines von ihm ökologisch verstandenen, also existentiellen Wertkonservatismus »quer durch alle Parteien« (der damaligen BRD) ziehen werde. Tatsächlich hatte selbst die FDP ihre »Freiburger Thesen« zum Umweltschutz (!). Bis heute kursiert in der Union – wie auch seriöser in beiden Großkirchen – der Slogan von der »Bewahrung der Schöpfung«. Sehr unklar bleibt dabei, wieso dann die »konservative« ÖVP kürzlich sogar Wirtschaftswachstum als Ziel mit Verfassungsrang vorschlug (!), wieso der »konservative« Parteichef Armin Laschet tatkräftig die Windenergie ausbremsen will, wieso er den Braunkohlekonzernen jeden Wunsch von den Augen abliest, Dörfer zerstören lässt, Ausreden zum Räumen von Baumhäusern sucht, auch: wieso er nicht davor zurückschreckt, mit der FDP zu koalieren, was ihm sage und schreibe ein Promille Wählerstimmen erst formal gestattete (2017 erhielt Die Linke in Nordrhein-Westfalen 4,9 Prozent, bei fünf Prozent gäbe es keine »schwarz-gelbe« Mehrheit)! Was, bitte, wäre an alledem im Sinne Epplers »wertkonservativ«? Und wieso wenden sich seit Herbert Gruhl so wenige Unionsanhänger und -mitglieder wenigstens der ÖDP zu?
Im Kontext der klassischen Orientierung von Teilen der Union am Klerikalen wäre immerhin anzuerkennen, dass der Kanzlerin – im Unterschied zu ihrem »Verantwortungs«-Zyniker Thomas de Maizière – Ethik nicht immer völlig egal war: vom Ausschluss Martin Hohmanns 2003, als es zeitgleich zum Ausschluss Philipp Mißfelders (JU) leider nicht reichte, über ihr Engagement für eine halbwegs humane Willkommenskultur 2015 bis hin zu den gerade noch haltenden Dämmen gegen eine Kooperation mit der AfD, wobei zu fragen wäre, inwieweit sich CSU oder die CDU Thüringen und die CDU Sachsen schon zu stark von AfD-Phrasen inspirieren ließen.
Vor allem könnte die Union erst dann ernsthaft »wertkonservativ« werden, wiese sie ihre Brutalo-Rechten intern rechtzeitig klar genug in die Schranken. An Merz vorbeigeschrammt zu sein, genügt nicht: Der erzielte als Zweitplazierter furchterregende Stimmergebnisse; und soll Laschet angeblich vage für eine Art opportunistischen Merkel-Kurs stehen, zeigt seine Anti-Windkraft-Politik leider das Gegenteil. Auch gehört die scheidende Kanzlerin der moderateren der beiden Großkirchen an, Laschet hingegen den Ultramontanen wie einst der strukturkonservative Heinrich Brüning oder der wertkonservative Matthias Erzberger (beide Zentrum).
Da nun »Grün-Schwarz« am Horizont dräut, wären die Grünen gut beraten, sehr strikte grüne Haltelinien in jede Verhandlung mitzunehmen und Koalitionen mit der Union im Zweifelsfall auch zu kündigen, wie es die SPD leider niemals ernsthaft versuchte. Die Kompromissunfähigkeit der Union macht sie kaum koalitionsfähig, doch sollten die Grünen den Spieß herumdrehen: Vor allem energiepolitisch müssen eben zuerst und vor allem ihre Forderungen umgesetzt werden, da soll die Union mitmachen oder die Koalition verlassen; übrigens wäre allein eine zukunftsfähige Energiepolitik »wertkonservativ«. – Hessen ist leider keine gute Blaupause mehr: Schaffte Tarek Al-Wazir anfänglich noch eine respektable ÖPNV-Ausweitung, so war die brutal durchgesetzte Räumung des Danneröder Waldes für eine völlig überflüssige Autobahn natürlich das Gegenteil von »Bewahrung der Schöpfung«, das Gegenteil von Wertkonservatismus.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 27.02.2021.