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Aus: Ausgabe vom 25.07.1997 / Ausland

Rußlands KP-Chef unterstützt den orthodoxen Partriarchen

Kontroverse nach Jelzin-Veto gegen Religionsgesetz

Jelzins Veto gegen das von beiden Parlamentskammern verabschiedete Gesetz »über die Gewissensfreiheit und die religiösen Vereinigungen« hat den scharfen Protest der kommunistisch-patriotischen Kräfte hervorgerufen. Hinter den Angriffen auf das Gesetz verberge sich der Wunsch totalitärer religiöser Sekten nach unkontrollierter Tätigkeit, erklärte der Vorsitzende der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), Gennadi Sjuganow. Die im Westen erhobene Forderung nach totaler Religionsfreiheit bedeute Freiheit für das Sektierertum mit all seinen lebensgefährlichen Folgen. Die hektischen Aktivitäten im Vatikan und den westlichen Hauptstädten seien Teil der Strategie zur Unterwerfung Rußlands, indem das »russische Selbstverständnis« bewußt mißachtet werde.

Das Gesetz betont den Vorrang der russisch-orthodoxen Kirche und anerkennt drei weitere Konfessionen als »traditionelle Religionen« in Rußland: den Islam, den Buddhismus und den Judaismus. Andere Religionsgemeinschaften unterliegen der amtlichen Anmeldefrist und dürfen 15 Jahre nach der Anmeldung keinen Grund und Boden erwerben und öffentliche Gottesdienste abhalten.

Das Gesetz findet vor allem bei der Orthoxie, aber auch bei den drei anderen traditionellen Konfessionen große Akzeptanz. Der Moskauer Hauptrabbiner Adolf Schajewitsch erklärte, daß das neue Gesetz den Hauptkonfessionen gleiche Rechte garantiert und die Tätigkeit der nichttraditionellen Gruppen und Sekten, die oft einen antisozialen Charakter haben, einschränkt. Der orthodoxe Priester Sergij, Mitglied des Heiligen Synods, sprach von »einem großen Schritt bei der Stabilisierung unserer Gesellschaft«. Kritik äußerte hingegen Wladimir Tumanow, heute Richter am Strasbourger Gericht für Menschenrechte. Er erklärte, daß die Staatsmacht den Rahmen der Zurückhaltung überschritten habe und die Gesetzgeber übermäßige Aktivität an den Tag gelegt hätten.

Jelzin verhängte sein Veto pünktlich nach dem Beschluß des US-Senats, die Hilfe für Rußland einzustellen, sollte er das Religionsgesetz bestätigen.

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