Aus: Ausgabe vom 26.04.2008, Seite 16 / Aktion
Nur fast ein Wunder
Von Verlag, Redaktion, Genossenschaftnach über zwei Jahren erhöhen wir zum 1.Mai dieses Jahres unsere Abopreise um durchschnittlich 1,10 Euro pro Monat (im Schnitt sind das rund vier Cent pro Ausgabe, siehe Abocoupon auf dieser Seite). Der Einzelverkaufspreis am Kiosk für die Ausgabe von Montag bis Freitag steigt um 10 Cent, für die Wochenendausgabe um 20 Cent. Nicht zum 1.Mai, aber ebenfalls in absehbarer Zeit, werden wir auch die Preise für das Internetabo erhöhen. Nur so haben wir eine Chance, in den kommenden Monaten die junge Welt kostendeckend herauszugeben.
Daß es die junge Welt heute noch gibt, ist nur fast ein Wunder. Denn im Gegensatz zu einem Wunder kann man gut erklären, wie wir es geschafft haben, unter widrigen Bedingungen ökonomisch zu überleben: Wir finanzieren uns in erster Linie über Printabonnements, über die wir 88 Prozent aller Umsätze realisieren. Erlöse aus Kioskgeschäft, Anzeigen und Internet wachsen zwar stärker, aber die herkömmliche Zeitung aus Papier, die Sie täglich in Ihrem Briefkasten finden oder am Kiosk erstehen, wird noch lange der mit Abstand wichtigste Umsatzträger sein.
Aber nicht nur die Umsatzhöhe ist entscheidend. Wichtig ist auch, mit welchen Kosten wir rechnen müssen. Im Einzelverkauf am Kiosk beispielsweise schreiben wir gerade eine erstaunliche Erfolgsgeschichte: Seit unserem Relaunch im Jahre 2004 wird die junge Welt am Kiosk jedes Jahr stärker nachgefragt, heute verkaufen wir stabil über 60 Prozent mehr als vor dem Relaunch. Alle anderen überregionalen Tageszeitungen haben im gleichen Zeitraum deutliche Verkaufsrückgänge hinnehmen müssen. Die Umsätze sind zwar deutlich gestiegen, das war aber auch bitter nötig: Bis zum Jahr 2004 haben im Einzelverkauf die Einnahmen nicht ausgereicht, um die Kosten für Druck, Vertrieb und die Anteile für Einzelhandel, Grosso und Nationalvertrieb zu bezahlen. Mit der aktuellen Preiserhöhung können wir die junge Welt am Kiosk gerade mal kostendeckend anbieten – wenn man die Kosten für journalistische Leistung nicht mitrechnet. Abonnements sind auf jeden Fall wesentlich rentabler für uns. Um die Rentabilität der Aboarten zu vergleichen, braucht es auch einen Blick auf die jeweils fälligen Steuern: Im Bereich Internet fallen zwar die hohen Kosten für Druck und Vertrieb der Printausgabe nicht an – aber der Staat kassiert kräftig mit. Während von Ihrem Printabo sieben Prozent Mehrwertsteuer an den Staat abgeführt werden, sind es von den bescheidenen Internetaboerlösen 19 Prozent. Das Printabo ist für uns auch deshalb rentabler. Da wir aber gerade im Bereich Internet einige Erweiterungen umsetzen, erhöhen wir auch in diesem Bereich die Preise. Internetabonnenten sollen sich stärker an den redaktionellen Kosten beteiligen. Damit wir unsere Arbeit fortführen können.
Mit dem Printabo machen wir nicht nur den größten Umsatz – es verursacht auch die meisten Kosten. Zunächst wird jeden Tag nur 20 Minuten nach journalistischer Fertigstellung der letzten Seite die Druckmaschine angeworfen. Deutlich kostenintensiver ist jedoch der Vertrieb der gedruckten Zeitung. Am Abend werden vom Hof unserer Druckerei die druckfrischen Ausgaben abgeholt – die ersten bereits dann, wenn die letzten noch nicht versandfertig sind.
Die Grossisten und der Bahnhofsbuchhandel müssen über die Straße und per Flugzeug rechtzeitig für den Einzelverkauf beliefert werden; über ein aufwendiges Zuliefersystem werden die Postverteilzentren und die Zustelldienste erreicht, die wiederum bundesweit jeden zuständigen Briefträger oder Frühzusteller beliefern. So wird abgesichert, daß Sie die junge Welt nur wenige Stunden später in Ihrem Briefkasten vorfinden. Fast alle anderen überregionalen Tageszeitungen leisten sich zwei Druckstandorte, um diese logistische Aufgabe meistern zu können. Wir beliefern das ganze Bundesgebiet von Berlin aus. Tag für Tag.
Der größte Posten auf der Kostenseite sind jedoch die Personal- und Honorarkosten. Und das, obwohl vom Verlagsmitarbeiter über den Redakteur bis zum Geschäftsführer jeder nur ein Bruchteil dessen verdient, was tarifüblich ist und auch Honorarsätze und Zeilengelder mehr als bescheiden sind. Selbstausbeutung ist ein weiterer Grund, wieso es der jungen Welt gelungen ist, ökonomisch zu überleben. Aber hier liegt das größte ökonomisch ungelöste Problem: Nicht nur die junge Welt, auch jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin braucht eine ökonomische Grundausstattung, um über die Runden zu kommen. Mit der aktuellen Preiserhöhung werden wir dieses Problem nicht lösen. Trotz der notwendigen Preiserhöhung bitten wir Sie deshalb, uns weiterhin beim Werben neuer Abonnements und Genossenschaftsanteile zu helfen.
Wenn die junge Welt es geschafft hat, bis heute zu überleben, dann liegt das vor allem an ihren aktiven Leserinnen und Leser und deren Genossenschaft. Sie sind Garanten dafür, daß sie sich auch künftig entwickeln kann. Über politische Gründe und Notwendigkeiten reden wir ein anderes Mal wieder an dieser Stelle.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!