Oderbruch kurz vor der Evakuierung
Von jW/AP/ddpADNDie etwa 20 000 Bewohner des Oderbruchs sind am Sonntag nachmittag vom örtlichen Krisenstab aufgefordert worden, sich auf eine Evakuierung vorzubereiten. Es bestehe »höchste Deichbruchgefahr«, hieß es in einem in Bad Freienwalde verbreiteten Aufruf an die Bevölkerung. »Wir machen uns allergrößte Sorgen um die Standfestigkeit der Deiche«, sagte Brandenburgs Innenstaatssekretär Werner Müller am Sonntag vor Journalisten in Potsdam. Nördlich von Frankfurt an der Oder drohe die Überflutung einer Fläche von bis zu 70 000 Hektar.
In den Abendstunden sei mit einem Pegelanstieg um bis zu 50 Zentimeter zu rechnen. 2 700 Menschen sind bereits aus der Niederung evakuiert worden, wo derzeit ganze Ortschaften bis zu den Dächern überflutet sind. Die Ortschaften Groß-Lindow und Finkenau seien vom Wasser bedroht, sagte eine Sprecherin des Krisenstabs. Auch Brieskow-Finkenheerd werde möglicherweise überflutet. Die Polizei habe deswegen an 270 Einwohner appelliert, ihre Häuser zu verlassen. Bis zum Morgen seien aber nur 67 Bewohner der Aufforderung nachgekommen.
In Frankfurt an der Oder sind mehrere Keller in der Stadt überflutet, das Wasser dringt auch in Wohnungen. Am Sonntag nachmittag wurde der neue historische Höchststand von 6,57 Meter gemessen. Bis zur Dammkrone fehlten nur noch wenige Zentimeter. Eine weitere Erhöhung des Damms durch Sandsäcke ist nicht mehr möglich, da das Gewicht der Säcke den Deich selbst in die Tiefe drücken würde. Nach Angaben eines ARD-Korrespondenten erwog der Bundesgrenzschutz die Räumung des Frankfurter Oderufers.
Ein neuer Dammbruch hatte am Wochenende die Hochwasserlage im Katastrophengebiet verschärft. Die Bresche südlich von Frankfurt wurde in der Nacht zum Sonntag entdeckt. Bei Brieskow-Finkenheerd gab die Befestigung auf einer Länge von einem Kilometer nach. Rasch strömte Wasser aus der überschwemmten Ziltendorfer Niederung in den Fluß zurück. In der Gegend war tags zuvor erwogen worden, einen Damm zu sprengen, um so einen Abfluß zu schaffen. Das ins Hinterland eingedrungene Wasser suchte sich jedoch selbst einen Weg zurück, was den Wasserstand der Oder weiter erhöht.
Von Montag an sollen mit Spezialkameras ausgerüstete Flugzeuge der Luftwaffe starten, um Bilder von der Krisenregion zu machen. Dies soll den Experten auch die Beurteilung der Stabilität der Deiche ermöglichen. Über den Einsatz von Tornado-Kampfflugzeugen sei noch nicht entschieden worden, sagte ein Sprecher der Bundeswehr am Sonntag in Potsdam. Die Bundeswehr wies entschieden Gerüchte zurück, daß die Tornados zur Sprengung von Deichen eingesetzt werden würden, um bestimmte Gebiete vor einer Überschwemmung zu bewahren.
Über 11 000 Soldaten sind bislang für Einsätze im Hochwasser-Krisengebiet mobilisiert worden. Bei der Sicherung von Deichen seien derzeit 3 600 Soldaten im Einsatz, teilte das Bundesverteidigungsministerium am Sonntag in Bonn mit. Mehr als 5 000 stünden im Einsatzgebiet an der Oder in Bereitschaft, weitere 2 600 seien an ihren Heimatstandorten einsatzbereit.
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