Bonn - die Armut vom Lande
Seltene Einstimmigkeit herrscht zwischen den Parteien, wenn es um die künftig zu leistenden Beiträge zum EU-Haushalt geht. Vor allem im Zusammenhang mit der Diskussion über die geplante Agrarreform wird eine Verringerung der Beiträge verlangt.
Bundesfinanzminister Theodor Waigel forderte, spätestens ab dem Jahr 2000 dürfe Bonn in die Brüsseler Kasse nur noch ungefähr 0,4 Prozent des Bruttosozialproduktes einzahlen. Das würde eine Senkung des heutigen Nettobeitrages von 22 Milliarden Mark um bis zu sieben Milliarden Mark - beziehungsweise um 0,2 Prozentpunkte - im Jahr bedeuten.
Auch SPD-Chef Oskar Lafontaine sprach sich für eine Senkung der Beiträge aus. Nach der Einheit sei die Bundesrepublik nicht mehr das wohlhabendste Land in der EU. Bayerns Finanzminister Erwin Huber (CSU) forderte eine schnellstmögliche Korrektur an der Beitragsregelung. Es könne auf Dauer nicht sein, daß die BRD 60 Prozent der Nettobeiträge zahle. Er kritisierte, daß wohlhabende Länder wie Luxemburg und Dänemark zu den Nettonehmerländern zählen. Da das vor allem eine Folge der EU-Subventionen durch die Agrarpolitik ist, waren Forderungen nach einer Verringerung der Beiträge bereits bei der Diskussion über die zukünftige EU-Agrarpolitik laut geworden.
Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hält jedoch den Abbau von Agrarsubventionen für »völlig illusionär«. Schon innenpolitisch sehe man, wie schwierig das sei, und einen anderen Weg, die deutschen Zahlungen zu verringern, gebe es nicht. Der Präsident des Europäischen Rechnungshofes, Bernhard Friedmann, sieht allerdings noch einen anderen Weg. »Denkbar wäre, daß nicht mehr wie bisher das Sozialprodukt als Ganzes als Bemessungsgrundlage gilt, sondern das Sozialprodukt pro Kopf in Kaufkraftparitäten«, so Friedmann. Außerdem solle man durch Regelungen bei der Vergabe von Fördermitteln der EU darauf achten, daß neue Arbeitsplätze entstünden.
(jW)
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