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Aus: Ausgabe vom 14.06.2008, Seite 16 / Aktion

Neue Eigentümer gesucht

Die Tageszeitung junge Welt braucht dringend Kapital
Es rentiert sich, seinen Überzeugungen treuzubleiben: Umzug der
Es rentiert sich, seinen Überzeugungen treuzubleiben: Umzug der jungen Welt in das Gebäude Torstraße/Ecke Karl-Liebknecht-Straße, April 2007
Wie jedes Zeitungsunternehmen in diesem Lande braucht auch der Verlag 8. Mai GmbH, der die Tageszeitung junge Welt herausbringt, Kapital. So sind zum Quartalsende die Kassen immer leer, weil die Aboeinnahmen durch die Kosten aufgefressen wurden und erst ein größerer Einzug im Folgemonat vorübergehend Linderung bringt. Woher aber nimmt die junge Welt in der Zwischenzeit das Geld? Und wie finanziert eine Zeitung, deren Einnahmen gerade so reichen, um die laufenden Kosten zu decken, größere Investitionen? Woher bekommt sie die Mittel, um Print- und Internetprodukt weiterzuentwickeln, um neue Leserschichten zu erschließen? Wer bezahlt Werbemaßnahmen, um erst einmal bekanntzumachen, daß es so ein Angebot überhaupt gibt? Und wer gleicht in der Bilanz Verluste aus, wenn es mal wieder nicht gereicht hat?

Normalerweise gehen Zeitungsleute dann zu ihrem Mutterhaus: Millionen steckte beispielsweise der Springerverlag jährlich in sein Flaggschiff Die Welt, Millionen wurden investiert, um die Financial Times Deutschland auf dem Markt zu etablieren. Dem Verlag 8. Mai GmbH stehen solche Reserven nicht zur Verfügung. Dann halt ein Bankkredit? Das scheitert schon daran, daß das Geldinstitut Sicherheiten will, zum Beispiel ein Gebäude. Hat der Verlag 8.Mai GmbH aber nicht. Zudem fehlt der jungen Welt die Profitorientierung, weshalb die Bank sehr schnell zur Erkenntnis kommt: »... leider müssen wir Ihnen mitteilen, daß wir das Vorhaben nicht realisieren können. Der Grund für die Ablehnung liegt in den geringen finanzwirtschaftlichen Überschüssen der Vergangenheit. Das betriebswirtschaftliche Ergebnis Ihres Unternehmens läßt eine planmäßige Tilgung der beantragten Kreditmittel nicht erwarten.« (aus dem Schreiben einer Berliner Bank an die junge Welt vom März 1999). Aus dem gleichen Grund kommen auch Investitionen von Finanzierungskonzernen, gerne auch liebevoll Heuschrecken genannt, nicht in Frage: Zwar wären wir ein typisches Projekt, in das man »Risikokapital« stecken könnte, aber bei der politischen Ausrichtung sind ein hübsches Anzeigenvolumen und damit Profitraten um die 20 Prozent nicht zu erwarten. Soviel fordern aber die neuen Eigentümer beispielsweise vom Verlag der Berliner Zeitung. Natürlich könnte man sich für eine ordentliche finanzielle Beteiligung in die Abhängigkeit von Parteien oder Glaubensgemeinschaften begeben. Wir sind aber heilfroh, daß uns genau das erspart geblieben ist und denken nicht daran, dies zu ändern.

Unterm Strich bleiben uns also die üblichen Wege, an Geld zu kommen, versperrt. Dadurch gewinnen Verlag und Redaktion den entscheidenden Vorteil, bei den Inhalten keine Rücksicht auf Geldgeber nehmen zu müssen. Trotzdem wird für die vorn genannten Zwecke immer wieder dringend Kapital benötigt. Als die junge Welt im April 1995 eingestellt wurde und einige Mitarbeiter auf die wahnwitzige Idee gekommen sind, die Zeitung in Eigenregie der Belegschaft weiterzuführen, war damals schon klar: Ohne Kapital kann das nicht funktionieren. Deshalb wurde umgehend die Genossenschaft LPG junge Welt e.G. gegründet. 724 Leserinnen und Leser der Zeitung haben mittlerweile 1118 Anteile gezeichnet. So konnten die junge Welt gerettet und viele wichtige Entwicklungen finanziert werden. Der Genossenschaft gehört die Mehrheit des Verlages 8. Mai GmbH, sie ist Herausgeberin der Tageszeitung junge Welt. Und weil die Kassen von Verlag und Genossenschaft im Moment mal wieder leer sind, wir aber für unsere Vorhaben im Herbst dringend finanzielle Mittel brauchen, suchen wir neue Eigentümer. Das heißt bei uns jedoch: Wir suchen neue Genossinnen und Genossen für unsere Genossenschaft LPG junge Welt e.G. (und Mitglieder, die zusätzliche Anteile zeichnen). Zur kommenden Generalversammlung am 28. Juni will der Vorstand dazu ein Aktionsprogramm vorlegen. So lange brauchen Sie aber gar nicht zu warten: Eintreten kann man jederzeit! Mit der Beitrittserklärung zeichnet man einen Anteil zu 500 Euro. Die Summe muß bis zum Ende des darauffolgenden Jahres auch eingezahlt sein (natürlich können auch mehrere Anteile erworben werden). Eine Nachschußpflicht gibt es nicht. So können auch Sie Miteigentümer und Mitherausgeber der jungen Welt werden.


Übrigens fanden seinerzeit nicht alle den Gedanken einer eigenen jW-Genossenschaft gut. Die erwähnte Bank versuchte, uns damals davon zu überzeugen, daß diese Idee antiquiert sei. Statt dessen wollte sie uns bei der Gründung einer Aktiengesellschaft behilflich sein. Wir aber blieben bei unserem Kollektivgedanken, mit den bekannten Ergebnissen. Die Bank (selbstverständlich eine AG) mußte drei Jahre später ihre Geschäfte einstellen. Hinter den Türen, vor die wir damals gesetzt wurden, sitzen heute – die junge Welt und ihre Genossenschaft. Sie sehen: Manchmal rentiert es sich, seinen Überzeugungen treu zu bleiben.

Verlag, Redaktion, Genossenschaft

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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