Aus: Ausgabe vom 20.06.2008, Seite 12 / Feuilleton
Raus ins alte Rom
Am Mittwoch hatte die elfte Theaterproduktion der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel Premiere. Bis 11. Juli geben 25 Inhaftierte im Gefängnishof eine dramatisierte Version des »Spartacus«-Aufstands. Das Bühnenbild besteht aus rostigen Eisenkäfigen. Die römischen Senatoren tragen in Anspielung auf die Berliner Stadtfarben rot-weiße Schärpen und sehr weiße Westen. Der gemeine Römer, der mit Brot und Spielen bei Laune gehalten wird, kommt im Dreß der italienischen Faschisten daher. Die Gladiatoren revoltieren und sterben in Leder-Wams samt Feldhose. Man nimmt ihnen ihre Herkunft aus verschiedenen Provinzen des Römischen Reiches ab. Der Inhaber der Gladiatorenschule berlinert, während der Chefausbilder mit breitem bayerischen Dialekt aufwartet. Sklave David, ein Schwarzer, spricht gebrochen Deutsch. Und einer von dreien, die als Spartacus besetzt sind, kann »Kanak«. Marsch- und Kampf-Choreographien sorgten bei der Premiere für spontanen Applaus. Als ein römischer Bürger die ausgebrochenen Gladiatoren fragte: »Was wollt ihr?«, rief ein unbekannter Häftling aus der Ferne: »Hier raus!« Andere beschränkten sich beim Kommentieren aufs Lärmmachen. Am Ende lud die Produktionsleitung in ein nahes Waldrestaurant zur Premierenfeier – ohne die Darsteller, versteht sich. (ddp/jW)
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