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Aus: Ausgabe vom 29.07.1997 / Ausland

Rußlands Medien am Gängelband

High Society aus Politik und Big Busineß sichert ihre Macht
Von jW/AP

Rußlands Banken und Rohstoffmonopolisten haben die Medien entdeckt. Deutlich wurde das zuletzt am Beispiel der »Iswestija«. Das Blatt, bekannt für seine Westorientierung, aber auch für regierungskritische Berichterstattung, hat schwere Monate hinter sich. Als Anfang April ein Beitrag aus der französischen »Le Monde« erschien, in dem das Vermögen von Ministerpräsident Viktor Tschernomyrdin auf umgerechnet über acht Milliarden Mark beziffert wurde, zog der Großaktionär Lukoil die Notbremse.

Der Ölkonzern warf Chefredakteur Igor Golembjowski vor, mit der Veröffentlichung dem Unternehmen geschadet zu haben. Die Rede war von entgangenen Konzessionen für Ölförderrechte in Milliardenhöhe. Lukoil erwarb daraufhin die Kontrollmehrheit von 51 Prozent der Iswestija-Verlagsaktien und gibt nun eindeutig die Linie vor. Weitere 22,4 Prozent besitzt die Onexim-Bank. Golembjowski wurde ausgebootet und beklagte anschließend die allgemeine Tendenz in den russischen Medien.

Hinter der Aktion, so wird in Moskau gemutmaßt, könnte außer Tschernomyrdin vor allem der Erste stellvertretende Ministerpräsident Anatoli Tschubais stecken. Der machthungrige Neoliberale ist ständig auf der Suche nach geeigneten Sprachrohren für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2000. Die Regierung ist bei Lukoil nicht ohne Einfluß, sie hält 36 Prozent der Anteile an dem Konzern.

Die Grenze zwischen Politik, Geschäft und Medien ist (nicht nur) in Rußland fließend. Dafür steht der stellvertretende Sekretär des Sicherheitsrates, Boris Beresowski. Der umtriebige Geschäftsmann ist Chef der Autohandelsfirma Logowas und wird mit der Ölgesellschaft Sibneft sowie der Luftfahrtgesellschaft Aeroflot in Verbindung gebracht. Außerdem sitzt Beresowski im Direktorium des TV-Riesen ORT, der als einzige Station ganz Rußland erreicht. 51 Prozent an ORT hat sich allerdings vorsorglich der Kreml gesichert - ein Garant für Boris Jelzins Sieg bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr. Beresowski wird vorgeworfen, rigoros gegen kritische Journalisten vorzugehen. Dabei fällt auch immer wieder der Name des 1995 ermordeten prominenten ORT-Journalisten Wladislaw Listjew.

Beresowski gilt als Intimfeind des Medienmoguls Wladimir Gussinski, der sich zunächst als Chef der einflußreichen Most- Bank einen Namen gemacht hat und jetzt ein ganzes Imperium kommandiert. Dazu gehören der Fernsehsender NTW, die Tageszeitung Sewodnja und der Radiosender Echo Moskwy. Gussinski werden darüber hinaus enge Kontakte zum Moskauer Oberbürgermeister Juri Lushkow nachgesagt, der zu den aussichtsreichsten Kandidaten für die Jelzin-Nachfolge gezählt wird. Eines ist der neuen Nomenklatura in Rußland auf jeden Fall klar: Der Weg an die Macht führt über die Medien.

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