Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 12.07.2008, Seite 16 / Aktion

In wessen Interesse?

In den Räumen der Berliner Zeitung und in denen der jungen Welt tagten Gesellschafterversammlungen der Eigentümer. Deren Entscheidungen wirken sich nachhaltig auf die Entwicklung der Zeitungen aus
Vertreter der jungen Welt unterstützen Protestaktionen der Beleg
Vertreter der jungen Welt unterstützen Protestaktionen der Belegschaft direkt nach der Übernahme der Berliner Zeitung am 18. Oktober 2005 – mit frisch frittierten Heuschrecken
Die vielgepriesene westliche Demokratie hört bekanntlich spätestens vor den Werktoren auf. Am Donnerstag verschanzte sich Josef Depenbrock (Geschäftsführer und gleichzeitig Chefredakteur unter anderem der Berliner Zeitung) in der 13. Etage des Bürohochhauses der Berliner Zeitung. Gemeinsam mit anderen Eigentümern diverser Unternehmen der BV Deutsche Zeitungsholding, die zur Mecom-Gruppe gehört. Das ist die als Heuschrecke bekannte Investorengruppe des britischen Spekulanten David Montgomery. In dieser Gesellschafterversammlung ging es um die Zukunft vieler Menschen und um die Perspektive wichtiger Medien. Was aber genau beraten wurde, ist trotzdem bis heute nicht bekannt. Denn Gewerkschaft und Öffentlichkeit blieben ausgeschlossen. Experten gehen davon aus, daß vor allem über konkrete Maßnahmen zur Erreichung der gewünschten Rendite geplaudert wurde. Weitere 150 der noch 930 Stellen der Holding sollen gestrichen werden, betroffen sind zum Beispiel in Berlin Mitarbeiter von Tip, Berliner Zeitung und Berliner Kurier. Vor dem Haus hatten sich deshalb Mitarbeitende aus diversen Unternehmen der Gruppe zu einem Warn- und Solidaritätsstreik versammelt.

Vor einigen Tagen haben sich auch die Gesellschafter des Verlages 8. Mai GmbH getroffen, in der die Tageszeitung junge Welt erscheint. Mehrheitsgesellschafter ist der Vorstand der Genossenschaft LPG junge Welt eG, hinzu kommt als Minderheitsgesellschafter Geschäftsführer Dietmar Koschmieder. Die Gesellschafter bleiben aber nicht unter sich, sie laden traditionell Gäste zu ihrer alljährlichen Beratung: Die Chefredaktion, die Verlagsleitung, der Betriebsrat sind dabei, wenn die Bilanzen ausgewertet und über die nächsten Strategien beraten wird. Diese werden zuvor auch in Belegschaftsversammlungen und beim jährlichen Mitarbeitendenwochenende diskutiert.

Die Mitarbeitenden

Der Vorstand der Genossenschaft LPG junge Welt eG hat in dieser Gesellschafterversammlung die absolute Mehrheit. Damit könnte er beispielsweise den Geschäftsführer absetzen. Wer aber wählt den Vorstand der Genossenschaft? Das ist die Mitarbeitendenversammlung: ihr gehören alle Genossenschaftsmitglieder, die gleichzeitig auch Mitarbeitende in Verlag oder Redaktion sind, an. Diese Versammlung tagt immer nach der Generalversammlung der Genossenschaft und bestätigt deren Beschlüsse. Auch das ist ein Sonderrecht der Mitarbeitenden: Sie können gegen Beschlüsse der Generalversammlung ein Veto einlegen. In so einem Fall müßte die Generalversammlung erneut tagen, und der ursprüngliche Beschluß hätte nur Bestand, wenn er dort mit einer Mehrheit von über 80 Prozent bestätigt würde. Mit den Sonderrechten für die Mitarbeitenden soll die Unabhängigkeit von Verlag und Redaktion gesichert bleiben. Die Generalversammlung wiederum wählt den Aufsichtsrat, der im Notfall auch den Vorstand seines Amtes entheben kann – allerdings nur vorläufig, eine Generalversammlung müßte dann diese Abhebung bestätigen.

Neuer Vorstand

So kompliziert wie es sich anhört, ist das alles gar nicht, hat aber jede Menge Vorteile: Damit wird abgesichert, daß einerseits Verlag und Redaktion entsprechend den harten Bedingungen auf dem kapitalistischen Markt optimal agieren können, gleichzeitig wird andererseits aber möglichst viel demokratische Mitwirkung und Kontrolle realisiert. Und dieses System hat sich in den über zehn Jahren, in denen es praktiziert wird, bewährt. Am vergangenen Mittwoch hat nun die Mitarbeitendenversammlung den neuen Vorstand gewählt, der sich danach zur konstituierenden Sitzung getroffen hat. Vorsitzender des Vorstandes ist Stefan Huth (Redaktion Themaseiten), als Schriftführer stellt sich Roland Dörre (Produktion) zur Verfügung, weitere Mitglieder sind Katja Zöllig (Aboservice) und Dietmar Koschmieder (Geschäftsführung). Schon am Samstag, den 28. Juni, wurde auf der jährlichen Generalversammlung der LPG junge Welt eG der neue Aufsichtsrat gewählt, wobei die bisherigen Akteure Andreas Siegmund-Schultze, Heinzjürgen Hagenmüller und Eckehard Schlauß in ihren Ämtern bestätigt wurden.

Belegschaft und Genossenschaft, Vorstand und Gesellschafterversammlung werden auch künftig vor allem um die Weiterentwicklung der Tageszeitung junge Welt ringen. Im Gegensatz zum allgemein üblichen Trend soll darauf gesetzt werden, die journalistische Leistung auszubauen. Allerdings ist auch für eine einigermaßen anständige Bezahlung der Beschäftigen zu sorgen. Um diese Ziele zu erreichen, braucht es aber mehr Abonnements und Genossenschaftsmitglieder. In beiden Fällen setzten Redaktion, Verlag und Genossenschaft auch auf das Engagement der Leserinnen und Leser. Nicht ohne Erfolg, denn diese schätzen neben der inhaltlich außergewöhnlichen Zeitung auch ihre besondere Eigentumsform, die nicht unwesentlich absichern hilft, das linke Profil der jungen Welt zu erhalten. In diesem Sinne will der neue Vorstand die von der Generalversammlung angeregte Aktion »Wir sind 1000« aufgreifen: 267 weitere Mitglieder werden für die Genossenschaft gesucht, um dann mit insgesamt 1000 Mitgliedern Verlag und Redaktion noch besser unterstützen zu können. Wie sich diese Aktion entwickelt, können Sie übrigens auf der Seite eins dieser Zeitung verfolgen: Unten rechts steht immer die aktuelle Zahl der Genossenschaftsmitglieder, die nach jeder Vorstandssitzung aktualisiert wird. Vielleicht sind das nächste Mal ja schon Sie dabei?

Verlag, Redaktion, Genossenschaft

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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