Aus: Ausgabe vom 22.07.2008, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Auch Mindestlöhne bleiben Armutslöhne
- Der DGB-Kreisverband Berlin Tempelhof-Schöneberg hat in der vergangenen Woche eine Erklärung zum Thema Mindestlöhne verabschiedet, die wir hier dokumentieren.
Der bisher aus den Medien bekannte Inhalt des Entwurfs eines neuen Arbeitnehmerentsendegesetzes und des geplanten Mindestarbeitsbedingungengesetzes soll der SPD als Wahlkampfthema dienen, um den bereits vollzogenen Bruch mit der einstigen gewerkschaftlichen Massenbasis zu kitten. Die grassierenden Armutslöhne werden damit nicht abgeschafft.
Der Gesetzentwurf schreibt als Voraussetzung für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch die Regierung einen gemeinsamen Antrag der Tarifparteien vor. Mit anderen Worten: Die Gewerkschaften als Vertretung der Lohnabhängigen sind auf die Gnade der Unternehmer und deren geschäftsführenden Ausschuß, Regierung genannt, angewiesen. Die vorgesehene Tarifbindung von mehr als 50 Prozent in einer Branche nivelliert den Gesetzentwurf weiterhin. Es ist Tatsache, daß bis zum 31. März 2008 lediglich acht Branchen, darunter die Zeitarbeit und das Bewachungsgewerbe, die Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz beantragt haben und die Entscheidung der Bundesregierung bis heute aussteht.
Auch Mindestlöhne bleiben Armutslöhne, selbst wenn sie die vom DGB unverständlicherweise geforderte Untergrenze von 7,50 Euro pro Stunde erreichen. Die Gesetzentwürfe lösen auch keinesfalls das Problem der von Minigewerkschaften in Tarifverträgen vereinbarten Dumpinglöhne. Im Falle unterschiedlicher Tarifverträge ist ein Unterlaufen der von DGB-Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge durch die im Gesetzentwurf enthaltene Formulierung eines »schonenden Ausgleichs« möglich.
Das vorgesehene Mindestarbeitsbedingungengesetz (Mia) für Branchen mit geringer Tarifbindung zeigt deutlich die politische Richtung der vom Kapital gesteuerten Bundesregierung. Anstelle eines an dieser Stelle einzuführenden Verbandsklagerechts der Gewerkschaften soll als Voraussetzung die »Störung des sozialen Gleichgewichts« gelten, die von Unternehmern und Regierung, also von den Verursachen der sozialen Verwerfungen, festgestellt werden muß. Hier soll der Bock zum Gärtner gemacht werden.
Wir fordern den DGB-Bundesvorstand, die Vorstände der DGB-Bezirke und der DGB-Einzelgewerkschaften im Bund und in den Ländern sowie alle Kolleginnen und Kollegen auf, ihren Einfluß in den Parteien und auf ihre Bundestagsabgeordneten geltend zu machen, damit diese Gesetze nicht Wirklichkeit werden. Dazu erwarten wir auch eine entsprechende Aufklärung der Öffentlichkeit. Die Organisation von Massenprotesten würde die Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften stärken. Wir erwarten von den im Bundestag vertretenen Mitgliedern der DGB-Gewerkschaften, daß sie fraktionsübergreifend gegen diese Gesetzgebungsabsicht intervenieren.
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vom 22.07.2008