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Aus: Ausgabe vom 13.09.2008, Seite 16 / Aktion

Flirt mit dem Filzlatschenterror

Werbung durch Warnung vor junge Welt?
Von Dietmar Koschmieder
Berlin, Alexanderplatz, 6. September: Junge Stalinistin wirbt fü
Berlin, Alexanderplatz, 6. September: Junge Stalinistin wirbt für Terrorabo
Jörg Schindler vom »Magazin für Freiheit …« Prager Frühling und der Korrespondent Michael Jach vom »Modernen Nachrichtenmagazin« Focus müssen es ja wissen: »Flirt mit Terroristen weltweit« titelt der eine, »Der Stalinismus auf Filzlatschen« der andere. Oder war es umgekehrt? Na ja. Empörend findet der eine, daß die »stalinistische Tageszeitung junge Welt ihre eigene Sicht der Dinge zur sozialistischen Reformbewegung in der damaligen CSSR zur Kenntnis gegeben« hat. Und die bezeichnet er gleich sechsmal als stalinistisch, wohl weil sie nicht der seinen entspricht. Daß der Beitrag ein Diskussionsangebot auf den Themaseiten der jungen Welt war, ändert nichts daran: Diejenigen, »die dies heute noch unter die Leute bringen, ob aufgeschrieben oder ›dokumentiert‹ an ihre Lesergemeinde, sind rechte Leute von links«, schreibt der eine Aufklärer (Prager Frühling, 19.08.08). Aha! Und der andere? Der beschimpft den Verfassungsschutz, weil dieser angeblich über die »Verbindung zu ideologisch verwandten Terror-Organisationen« von Mitgliedern der Linken schweigt und viel zu wenig Aufwand betreibt, die junge Welt zu verfolgen: »Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) möchte über die Vorgänge lieber schweigen. Zwar zitiert das Amt im Jahresbericht 2007 Linksparteichef Biskys verheißungsvollen Satz ›Wir stellen die Systemfrage‹ und folgert: ›Damit bekennt sich die Partei (…) weiterhin zu einer extremistischen Ausrichtung.‹ Gerade mal neun Zeilen zur Terror-Koketterie aber versteckt das BfV weit abseits im Abschnitt über die linksextreme Zeitung ›junge Welt‹. Deren Berichterstattung über PKK, ETA, FARC und Konsorten liest sich frecher, aber ideologisch kaum anders als einst in der DDR, als der SED-Nachwuchs ›Freie Deutsche Jugend‹ (FDJ) das Organ besaß.« (Focus, 18.08.08). Oha! Das erinnert uns wieder an das Gespräch mit Herren jener Privatbank, die sich weigerte, Buchungen für die junge Welt vorzunehmen. Ihr Vorwurf lautete, daß wir Kontakte zur Farc, zu den revolutionären Streitkräften Kolumbiens, hätten. Zum Beweis legten sie in der jungen Welt veröffentlichte Artikel vor. Dumm nur, daß diese von der amerikanischen Nachrichtenagentur AP stammten. Was diesen und jenen Herren nicht paßt, ist unsere Unverschämtheit, Beiträge mit eigenen Positionen zu vielen Dingen und Vorgängen in dieser Welt zu veröffentlichen. Egal ob es sich um Kriege wie die in Afghanistan, Irak, Georgien oder Jugoslawien handelt, egal ob es sich um geschichtliche Betrachtungen oder die Einschätzung von Parteien und Bewegungen handelt: All das, was in der Analyse über das Gefasel in einer der typischen Talkshows im Fernsehen deutlich hinausgeht, ist höchst verdächtig.
Für viele aber auch höchst interessant. Unsere Erfahrung ist nämlich, daß genau dies der Grund für das wachsende Interesse an der jungen Welt ist. Deshalb wird diese Zeitung gerne am Kiosk gekauft, im Internet oder im Abo gelesen. Obwohl der Kreis derer, die diese Zeitung bzw. ihren Inhalt überhaupt kennen, relativ klein ist. Und da sehr viel mehr Menschen den herkömmlichen Medien und Positionen kritisch gegenüberstehen, hat diese Zeitung auch beste Chancen, künftig stärker wahrgenommen zu werden. Dazu ist allerdings notwendig, daß die junge Welt viel mehr Leuten bekannt gemacht wird. Nun ist es zwar so, daß die diversen Horrormeldungen beim aufmerksamen Leser durchaus Interesse an der jungen Welt wecken, wir sollten es aber bei dieser Art von Unterstützung keinesfalls belassen. Sie zum Beispiel kennen jede Menge Menschen, die sich für die junge Welt interessieren könnten – und die solche Blätter wie die oben zitierten nicht lesen wollen. Empfehlen Sie die junge Welt deshalb weiter, weisen Sie auf die Möglichkeit für ein dreiwöchiges kostenloses Testabo hin. In den kommenden Monaten gibt es nicht nur im persönlichen Umfeld, sondern auch während der vielen politischen Aktionen und Aktivitäten gute Möglichkeiten dazu.
Unser Aktionsbüro setzt ebenfalls den Schwerpunkt auf die Probeabowerbung. Am vergangenen Wochenende hat die junge Welt mit Ständen und dem Erlös unseres Cafés beim Berliner Solibasar auf dem Alexanderplatz über 800 Euro für zwei Soliprojekte in Vietnam beisteuern können. Dabei kam auch die Werbung für die junge Welt nicht zu kurz: 77 Personen haben Probeabos direkt am jW-Stand bestellt. Trotz der warnenden Worte der Herren Schindler und Jach.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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