Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 26.09.2008, Seite 3 / Schwerpunkt

Finanzminister Steinbrück: Die USA werden ihren Status als Supermacht des Weltfinanzsystems verlieren

* Wir dokumentieren Auszüge aus der Regierungserklärung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) »Zur Lage an den Finanzmärkten« vom 25. September im Bundestag:

Bislang hat das internationale Krisenmanagement funktioniert. Es ist nicht zu einem Kollaps des Weltfinanzsystems gekommen. Und das, obwohl wir in den letzten Wochen an den Finanzmärkten eine weitere Zuspitzung der schlimmsten Bankenkrise seit Jahrzehnten erlebt haben. (...) Diese ernste globale Finanzmarktkrise wird tiefe Spuren hinterlassen. Sie wird das Weltfinanzsystem tiefgreifend umwälzen. Niemand sollte sich täuschen: Die Welt wird nicht wieder so werden wie vor dieser Krise. Wir müssen uns in nächster Zeit weltweit auf niedrigere Wachstumsraten und – zeitlich verschoben – eine ungünstigere Entwicklung auf den Arbeitsmärkten einstellen. Die Fernwirkungen der Krise sind derzeit nicht absehbar. Eines scheint mir aber wahrscheinlich: Die USA werden ihren Status als Supermacht des Weltfinanzsystems verlieren. Das Weltfinanzsystem wird multipolarer. (...)

Die USA sind der Ursprungsort und der eindeutige Schwerpunkt der Krise. Hier wurden Hypothekenkredite an nicht kreditwürdige Kreditnehmer ohne jegliche Sicherheiten vergeben. Hier wurden diese immensen Kreditrisiken anschließend durch Verbriefungsgeschäfte unkenntlich gemacht. Hier nahm das Rennen nach Rendite seinen Anfang. Von hier aus hat sich die Finanzmarktkrise weltweit wie ein giftiger Ölteppich ausgebreitet, zunehmend auch in Richtung Europa – auch wenn das Volumen der bislang bekannten Verluste in Europa in keiner Weise mit denjenigen in den USA zu vergleichen ist. (...)

In dieser größten Krise seit Jahrzehnten zeigt sich, daß das zu unserem Wirtschaftsmodell der sozialen Marktwirtschaft passende Universalbankensystem mit seinen drei Säulen der privaten Geschäftsbanken, der kommunalen Sparkassen und der regionalen Genossenschaftsinstitute wesentlich robuster ist, als es das anglo-amerikanische Trennbankensystem mit seiner überzogenen Renditefixierung war. Die vergleichsweise breite geschäftspolitische Aufstellung bewährt sich in der Krise. Es bewährt sich, daß wir in Deutschland nicht nur auf die Rendite geschaut haben – wir haben uns der ausschließlichen Fixierung auf kurzfristige Rendite und immer höhere Quartalsgewinne in zwei von drei Banksäulen weitgehend verweigert. (...)

Wenn nach den Ursachen der Krise gefragt wird, dann lautet die Standard-Antwort: die US-Subprimemarktkrise. Vordergründig ist das richtig. Die eigentlichen Ursachen liegen jedoch tiefer – nämlich in einer aus meiner Sicht unverantwortlichen Überhöhung des »laissez-faire«-Prinzips, also dem von staatlicher Regulierung möglichst vollständig befreiten Spiel der Marktkräfte im anglo-amerikanischen Finanzmarktsystem. (...) Dieses in weiten Teilen unzureichend regulierte System bricht gerade zusammen – mit weitreichenden Folgen für den US-Finanzmarkt und erheblichen Ansteckungseffekten für die übrige Welt. (...)

Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als die Finanzmärkte sozusagen »neu zu zivilisieren« und darüber vergleichbare Krisen in der Zukunft möglichst zu verhindern. (...) Wenn jemand behauptet, er sehe Licht am Ende des Tunnels, dann sollte derjenige auch die Möglichkeit in Erwägung ziehen, daß es sich bei diesem Licht um die Scheinwerfer des entgegenkommenden Zuges handeln könnte. (...) Weder der bloße Ruf nach mehr Staat noch der simple Glaube an den wettbewerblichen Markt wird der Aufgabe gerecht, Wirtschaft so zu gestalten, daß alle an einem stabilen, möglichst krisenfreien Wachstum teilhaben können. Staatliche Institutionen müssen im internationalen Verbund Rahmen setzen, Regeln definieren und für ihre Einhaltung sorgen. Die Marktteilnehmer müssen diesen Rahmen kreativ ausfüllen –nicht getrieben von Gier und Kurzatmigkeit, sondern von Verantwortung für die Gesellschaft. Das ist unser, ist mein Verständnis von sozialer Marktwirtschaft. Das grenzt sich ab von jeglichem Neoliberalismus und Neo-Etatismus.

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