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Aus: Ausgabe vom 17.04.1997 / Ausland

»Beutekunst«-Entscheid vertagt

Moskau. Unmittelbar vor dem BRD-Besuch des russischen Präsidenten Boris Jelzin hat der Föderationsrat in Moskau seine Entscheidung über das sogenannte »Beutekunst«-Gesetz am Mittwoch verschoben. Er entschied sich für ein schriftliches Abstimmungsverfahren, das eine Entscheidung noch am Mittwoch unmöglich machte, berichteten Korrespondenten aus Moskau. Zur Abstimmung stand eine Gesetzesvorlage, wonach die nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion gebrachten Kunstwerke russisches Eigentum sind und nicht an Deutschland zurückgeben werden. Der Streit um die »Beutekunst« drohte Jelzins Besuch in der Bundesrepublik zu überschatten, wo er am Nachmittag eintraf.

Nach dem am Mittwoch im Föderationsrat ausgewählten Abstimmungsverfahren müssen die bei der Debatte nicht anwesenden Abgeordneten des Oberhauses schriftlich ihre Stimme abgeben. Die Wahlzettel werden den Parlamentariern per Sonderpost nach Hause zugestellt. Erst wenn alle Voten vorliegen, kann entschieden werden.

Der Föderationsrat und das Unterhaus des Parlaments, die Staatsduma, hatten das Gesetz beide schon einmal verabschiedet. Dagegen legte Jelzin sein Veto ein, das vom Unterhaus mit Zweidrittelmehrheit überstimmt wurde. Sollte auch der Föderationsrat Jelzin überstimmen, will dieser vor das Verfassungsgericht ziehen.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt der BRD, Helmut Schäfer, hatte am Mittwoch in der Fragestunde des Bundestages auf die Aushändigung der Kunstgegenstände gedrängt. Er unterstrich, die Rückgabe sei zwischen beiden Ländern völkerrechtlich verbindlich vereinbart worden. Am Donnerstag soll Jelzin in Baden-Baden mit Bundeskanzler Helmut Kohl zusammenkommen. Wichtigstes Thema der Gespräche sollte die Nato-Ost- Erweiterung sein.

AFP/jW