Aus: Ausgabe vom 06.11.2008, Seite 3 / Schwerpunkt
»Auf die Freude könnte der große Katzenjammer folgen«
In der Partei Die Linke waren die Reaktionen auf den Wahlsieg von Barack Obama am Mittwoch geteilt. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch grüßte geradezu euphorisch nach Washington:
Die Linke gratuliert Barack Obama zu seiner Wahl. Sie stellt eine politische und kulturelle Zäsur in der amerikanischen Geschichte dar. Barack Obama tritt sein Amt an in einer Zeit, in der eine schwere Finanzmarktkrise die Welt erschüttert, in der der Krieg als Mittel der politischen und zivilen Konfliktlösung nach wie vor nicht geächtet ist.Mit seinem Wahlsieg verknüpft sind die Hoffnungen vieler Menschen auf einen Kurswechsel in der Politik der USA, vor allem in der Außenpolitik.
Während des Wahlkampfes hatte Barack Obama Berlin als Ort für seine außenpolitischen Botschaften gewählt und ein Zeichen für eine atomwaffenfreie Zukunft ausgesandt. Die Abschaffung der Atomwaffen ist ein lange schon überfälliger Schritt, die Abrüstung generell ist eine wichtige Voraussetzung für Frieden.
Als 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird sich Barack Obama jetzt an der Umsetzung seiner Worte messen lassen müssen. Die Linke wird seine Politik aufmerksam verfolgen und wünscht ihm Erfolg.
Der Linke-Europaparlamentarier Tobias Pflüger, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und Koordinator der Fraktion GUE/NGL im Unterausschuß Sicherheit und Verteidigung, erklärte dagegen:
Auch wenn – gerade in Europa – viele Hoffnungen mit der Wahl Barack Hussein Obamas zum neuen US-Präsidenten verbunden sind, zeigt eine genauere Betrachtung, daß gerade aus friedenspolitischer Sicht eher Anlaß zu Besorgnis angebracht ist. Ein Blick auf das Beraterteam des gewählten US-Präsidenten zeigt auf, wohin es unter Barack Obama gehen könnte: Beispiel Wesley Clark: Er war derjenige, der als NATO-Oberbefehlshaber den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien leitete. Samantha Power steht dafür, daß für die gewaltsame Verbreitung von »Demokratie«, »Menschenrechten« und freien Märkten jedes militärische Mittel recht ist.Der frisch gewählte US-Präsident will zusammen mit seinem Vizepräsidenten auch nach 2010 eine Kerntruppe für bestimmte Aufgaben im Irak belassen: für das Vorgehen gegen die Reste von Al-Qaida, den Schutz unserer Dienstleister und Diplomaten und die Ausbildung und die Unterstützung der irakischen Sicherheitskräfte. Auch deren Umfang hat Obama bereits angedeutet: 30000 Soldaten! Ist das der von vielen Wählerinnen und Wählern ersehnte Abzug aus dem Irak?
Gerade was die amerikanisch-russischen Beziehungen anbelangt, wäre ein »change« dringend nötig, um die sich verschärfenden Konflikte nicht in einen »neuen kalten Krieg« abgleiten zu lassen. Doch auch hier kann die Auswahl von Obamas Beratern, insbesondere Zbigniew Brzezinski, alles andere als zuversichtlich stimmen. Zum Georgien-Krieg verglich Brzezinski Putins Vorgehen mit dem Hitlers und forderte, daß dies nur zu »Ausgrenzung und wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen führen kann. Wenn Rußland diesen Kurs weiterfährt, muß es letztendlich innerhalb der Staatengemeinschaft isoliert werden.«
Schließlich steht zu erwarten, daß Obama – nicht zuletzt aufgrund der großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der USA – von den EU-Ländern einen deutlich größeren militärischen Beitrag zur Aufrechterhaltung der derzeitigen Weltordnung einfordern wird. So will Obama nicht nur den Krieg in Afghanistan auch nach Pakistan ausweiten und etwa 10000 Soldaten mehr dorthin schicken, sondern er fordert auch von den Verbündeten eine deutlich größere Beteiligung – insbesondere in Afghanistan.
Es deutet sich eine »Neue Transatlantische Partnerschaft« an, die ihre institutionelle Entsprechung in einer revitalisierten NATO finden würde, dafür wäre der in der EU äußerst beliebte Obama geradezu der ideale Kandidat. Die Folge wäre aber lediglich eine Verschiebung der militärischen Beiträge und eine noch militaristischere EU-Außenpolitik. Auf die Freude über die Wahl Obamas in der EU und Deutschland könnte also der große Katzenjammer folgen.
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