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Aus: Ausgabe vom 05.08.1997 / Ausland

Empörung über kroatischen Vertreibungskurs

Moslems tyrannisiert. Bestrafung der Schuldigen verlangt
Von AP/jW

Vertreter der internationalen Staatengemeinschaft in Bosnien haben empört auf die Vertreibung von Moslems durch Kroaten reagiert und eine Bestrafung der Schuldigen verlangt. In einem Brief an die Führung der moslemisch- kroatischen Föderation sprach der internationale Bosnienbeauftragte Carlos Westendorp am Montag auch von Hinweisen darauf, daß kroatische Polizisten an der Gewaltaktion in der mittelbosnischen Stadt Jajce beteiligt gewesen seien. Zudem verwies er auf einen anderen schweren Zwischenfall in einem Vorort von Sarajevo.

In seinem von Vertretern aller anderen internationalen Institutionen in Bosnien unterzeichneten Brief befaßte sich Westendorp mit den Vorgängen im Raum Jajce und verlangte, den dort vertriebenen 450 Moslems müsse binnen 48 Stunden die Rückkehr erlaubt werden. Es handelte sich um Flüchtlinge, die in ihre Heimatstadt zurückgekehrt waren, am Wochenende aber Opfer einer Vertreibungsaktion wurden. Kroatische Einwohner blockierten zunächst die Zufahrtstraßen zur Stadt. Dann verjagten Kroaten, teilweise mitten in der Nacht, 450 Rückkehrer aus ihren Häusern in der Umgebung. UN-Sprecher teilten mit, mehrere Häuser seien in Brand gesteckt worden. Am Sonntag morgen seien zudem Banden betrunkener Kroaten durch die Straßen von Jajce gezogen und hätten Fahrzeuge der Vereinten Nationen und der NATO-Truppe mit Steinen beworfen. Die kroatische Polizei habe sich passiv verhalten. Inzwischen wurde in den Trümmern der Häuser ein Todesopfer gefunden.

Westendorp forderte die Bestrafung der Schuldigen und die Entlassung von Amtspersonen, die sich in diesem Fall schuldig gemacht hätten. Die UN-Polizei soll in einer Woche einen Bericht über die Vorfälle vorlegen. Jajce galt bisher als Modellfall für eine Kommune, in die Flüchtlinge zurückkehren, die einer ethnischen Minderheit angehören.