Aus: Ausgabe vom 10.01.2009, Seite 20 / Aktion
Freiheit der Andersdenkenden
Von Dietmar KoschmiederDer Beitrag ist auch ansonsten voller Fehler und absurden Konstruktionen. Und trotzdem hat er auch aufklärerischen Wert. Der Autor findet es offensichtlich nicht verkehrt, daß ausgerechnet die junge Welt, die seit Jahr und Tag für die Einhaltung der Verfassung kämpft und zum Beispiel immer wieder darauf hinweist, daß sich das offizielle Deutschland an völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligt und damit die geltende Verfassung permanent verletzt, daß also ausgerechnet diese Zeitung vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der Autor informiert erstaunlich präzise über die interne Begründung der Behörde für ihr skandalöses Vorgehen: Verlag und Redaktion würden »an der Systemüberwindung« festhalten. Nun sind aber weder Verlag noch Redaktion eine politische Partei, und es ist daher auch nicht ihre Aufgabe, ein System zu überwinden. Aber mit Verlaub: Seit wann verbietet die aktuelle Verfassung die »Überwindung des Systems«, womit offensichtlich die kapitalistische Produktionsweise gemeint ist? Daß der Kapitalismus keine Perspektive mehr bietet, merken selbst Politiker aus dem bürgerlichen Lager. Vielleicht spüren sie es auch nur, weil sie ja anstelle des alten Kapitalismus nur einen neuen anbieten. Den alten will jedenfalls keiner mehr. Viel Arbeit für den Verfassungsschutz und die Berliner Zeitung. Denn wenn da jemand das System überwinden will, sind Verfassungsrechte wie das auf freie Meinungsäußerung schon mal zu vernachlässigen.
Die junge Welt ersetzt also keine Partei, aber doch immerhin so manche Zeitung. Noch darf sie ihre verfassungsrechtlich verbrieften Rechte wahrnehmen (wenn auch mit Behinderungen) und publiziert nicht nur den Regierenden genehme Meldungen und Analysen. Vergleichen Sie beispielsweise die Berichterstattung aller anderer Zeitungen in Sachen Krieg im Gaza: Die junge Welt ist nicht der verlängerte Arm der Akteure an der PR-Front. Da heißt es nicht Offensive, sondern Krieg, nicht Schäden, sondern Mord, nicht unvermeidbare Folgen, sondern Kriegsverbrechen. Oder lesen Sie nach, was andere Zeitungen im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag der Kubanischen Revolution für erstaunliche Erkenntnisse von sich geben. Die junge Welt geifert nicht mit den anderen über die »marode Revolution im Rückwärtsgang«, sondern freut sich über die selbstbewußte und erstaunlich stabile Entwicklung durch eine kluge Politik der revolutionären Regierung, ihrer Errungenschaften und der damit verbundenen Würde der Menschen auf der Karibikinsel. Aber es ist schon sehr anstrengend, ständig gegen den Strom zu schwimmen. Und reich wird man auch nicht dabei. Andere Zeitungen nennen das dann hämisch »Überlebenskampf«, sie erhalten ihr Geld vor allem durch Anzeigengeschäfte, Heuschreckenkredite oder Millionensubventionen. Aber auch das hat seinen Preis. Die junge Welt lebt fast ausschließlich von dem, was die Abonnenten der Zeitung zahlen. Und von Krediten der Genossenschaft LPG junge Welt eG. Und damit sich noch möglichst viele noch möglichst lange wundern können, möchten wir Sie darum bitten, die junge Welt zu abonnieren und weiterzuempfehlen. Werden Sie Mitglied unserer Genossenschaft und damit Herausgeber der jungen Welt. Für beides finden Sie entsprechende Coupons in dieser Ausgabe.
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