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Aus: Ausgabe vom 21.03.2009, Seite 16 / Aktion

Wandel der Zeiten

Von Dietmar Koschmieder
Wenn die junge Welt von bürgerlichen Medien gelobt wird, stimmt irgendwas nicht. Am Donnerstag tönt es aus dem Feuilleton von Die Welt: »Wandel der Zeiten und politisch-emotionaler Gestimmtheiten: Nur einer einzigen deutschen Tageszeitung war es der historische Wahlsieg der Linken im einstigen Bürgerkriegsland El Salvador wert, ihn als Geschichte auf die erste Seite zu heben.« Keine andere hiesige Zeitung verfolgt die aktuellen Prozesse in Lateinamerika so aufmerksam und informiert wie die junge Welt, das hat der Autor fein bemerkt. Und tatsächlich hat das Thema bei kaum einem anderen Blatt den Weg auf die Titelseite geschafft. Die meisten hatten Wichtigeres zu vermelden. So hat Die Welt mit der Verkündung von Bio-Viagra aufgemacht und auch in der Vorschau heißt es unter der Rubrik »Aus aller Welt« nicht »Linksrutsch in El Salvador«, sondern: »Josef Fritzl gesteht Inzucht«. Und trotzdem: Schon ein flüchtiger Blick auf einige Titelseiten dieses Tages zeigt, daß Die Welt irrt: Die Berliner Zeitung kommentiert schon auf Seite eins und kündigt den Leitartikel zum Thema El Salvador an, die Süddeutsche vermeldet auf dem Titel: »Linkskandidat Funes siegt in El Salvador«. Das Neue Deutschland macht die Ausgabe mit diesem Thema auf.
Wer jetzt denkt, der Autor des Welt-Artikels geht nun näher auf die Lage in El Salvador ein, irrt. Er beschäftigt sich erst mal weiter mit der jungen Welt. »Aber was heißt schon ›Geschichte‹? Der aus der feiernden Hauptstadt San Salvador nach Berlin (zur jW, die Red.) geschickte Text glich eher einer ideologischen Abmahnung des siegreichen Kandidaten der einstigen Guerilla-Formation FMLN«, meint der Welt-Journalist, um dann aus der jW zu zitieren. Nach mehreren Schlenkern, in denen er auch mit »Christian Ströbeles Waffensammeln für eben jenes El Salvador« abrechnet (»im Rückblick die wohl am wenigsten törichte Handlung dieses Vollblutideologen«) rückt er endlich mit seiner Botschaft heraus: »Nun aber scheint ausgerechnet ein erst 2007 in die FMLN eingetretener, ›lauwarmer‹ Sozialdemokrat der Geschichte seines Landes ein neues Kapitel hinzuzufügen. Dumm gelaufen für die Verfechter diverser reiner Lehren, für die Freiheitsfreunde in aller Welt jedoch ein Grund zur Freude.« Zum Beispiel jenen in diversen US-Regierungen, die das bis zur Abwahl am Sonntag herrschende »Mördersystem«, wie es der Autor richtig nennt, mit allen Mitteln an der Macht gehalten haben. So ändern sich die Zeiten und die »politisch-emotionalen Gestimmheiten«: Wenn die Unterdrücker verjagt werden, stimmen deren Auftraggeber in den Jubel der endlich siegreichen Unterdrückten ein. Eine der ersten, die dem Volk von Kuba zum Sieg der Revolution vor 50 Jahren gratuliert hat, war niemand anderes als die Coca-Cola Company. Auch dieser Sieg war ja bekanntlich für die Freiheitsfreunde in aller Welt »ein Grund zur Freude«.

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