Aus: Ausgabe vom 25.04.2009, Seite 16 / Aktion
Wer hat Angst vor wem?
Von Dietmar KoschmiederMittlerweile weiß jeder, daß das kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem in der schärfsten Krise seit Jahrzehnten steckt. Und wer die Folgen zu tragen hat. Kürzungen, Kurzarbeit, Massenentlassungen, Arbeitsverdichtung betreffen fast alle. »Wenn die immensen Kosten der Krise nach den Wahlen dann auch noch auf die Bevölkerung abgewälzt werden, entsteht ein Gebräu, das explosiv sein kann«, sagt ein DGB-Sprecher. Dem Land drohten soziale Unruhen, warnt DGB-Chef Michael Sommer. In den Millionen, die zur Rettung der Banken ausgegeben werden, sieht Sommer einen weiteren »entscheidenden Faktor für die Gefahr eines Aufstandes in der Bevölkerung«. Die Regierung wies die Warnung Sommers umgehend zurück.
Dabei bereiten sie sich längst darauf vor. Sie haben die Wirtschaftskrise nicht im Griff. Aber sie wissen genau, daß sie die sich daraus ergebenden Lasten auf die Bevölkerung abwälzen werden. Und daß dies zur Verschärfung der sozialen Ungleichheit und damit auch zu Protesten führen wird. Sie sehen die bestehenden Eigentumsverhältnisse und die damit verbundenen Privilegien der besitzenden Klasse zu Recht gefährdet und werden sie mit allen Mitteln verteidigen. Das kapitalistische Deutschland wird nicht nur am Hindukusch verteidigt, sondern auch dort, wo sich die eigene Bevölkerung erdreistet, ihren Protest und Widerstand wirkungsvoll zur Geltung zu bringen. Polizei, Militär und Geheimdienste werden dazu in Stellung gebracht. Der Feind ist nicht mehr der sogenannte Schwarze Block, sondern jeder, der aufmüpfig wird oder sich nur in der Nähe einer Demonstration aufhält. Dieses Szenario ist nicht herbeigeredet. Am 1. April starb in London der Zeitungsverkäufer Ian Tomlinson nach Polizeischlägen. Vier Tage zuvor stand in dieser Zeitung an dieser Stelle: »Letztlich werden auch Tote in Kauf genommen.«
Protest und Widerstand sollten sich dadurch nicht schwächen lassen. Der 1. und der 16. Mai sind die nächsten beiden großen Aktionstage, um Widerstand zu mobilisieren. Je mehr Menschen auf die Straße gehen, desto sicherer sind die Demonstranten vor Übergriffen.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
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