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Aus: Ausgabe vom 27.05.2009, Seite 3 / Schwerpunkt

Fanal: »Ein Verbrecher«

»Der Schuß aus ca. eineinhalb Metern Entfernung in den Hinterkopf, dessen Hergang im Übrigen nie zweifelsfrei geklärt werden konnte und folglich dem Polizisten aus Mangel an Beweisen für einen schuldhaften Tötungsvorsatz einen Freispruch einbrachte, war für die ›68er-Bewegung‹ das Fanal schlechthin.

Davon wollte auch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) profitieren, sie bekundete vielfach ihre Solidarität mit dem Toten. So begleiteten etwa, als am 8. Juni sein Leichnam auf der Transitstrecke von West-Berlin nach Hannover überführt wurde, den Sarg Hunderte Fahrzeuge, und an den beiden Grenzübergängen, an den Seiten der Autobahn grüßten Betriebsdelegationen, Bürger und Aufgebote der Freien Deutschen Jugend (FDJ) den Konvoi. Unter den Genossen der SED war die Stimmung einhellig: Es war Mord, der Täter ein Verbrecher. Nur wenige teilten diese Auffassung nicht.

Einer davon wird eher ein Mißbehagen mit solchen Deutungen empfunden haben, namentlich Genosse Karl-Heinz Kurras. Immerhin gehörte er schon mehrere Jahre der Partei an, seitdem er am 15. Dezember 1962 den Aufnahmeantrag in ›ehrlicher Überzeugung‹ gestellt hatte, ›daß die SED mit ihrer Zielsetzung den wahren demokratischen Willen verkörpert, ein demokratisches Deutschland zu schaffen‹.

›Er erklärte, daß er sich der Bedeutung dieses Schrittes voll bewußt ist und seine ganze Kraft für die Partei einsetzen wird‹. Der DDR hätte er gern als Volkspolizist zur Seite gestanden, doch hatte sich das zerschlagen. Seine nächsten Genossen vertrauten ihm dennoch, bürgten für ihn vor der Partei: So die Österreicherin Charlotte Müller, Altkommunistin und im KZ Ravensbrück inhaftiert, die einen ebenso zweifelsfreien Ruf hatte wie Werner Eiserbeck, der das vollste Vertrauen seines Staates DDR genoß.«

Aus: »Der 2. Juni 1967 und die Staatssicherheit« von Helmut Müller-Enbergs/Cornelia Jabs. Auszug aus einem Beitrag, der jetzt im Deutschland-Archiv erscheint

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