Israel in der Bibi-Krise
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Spitzname »Bibi«) steht unter Druck. Denn die Polizeiführung des Landes hat empfohlen, gegen ihn Anklage wegen der sogenannten Bibigate-Affäre zu erheben. Die Polizei legte nach dreimonatigen Untersuchungen einen tausendseitigen Bericht zu dem Skandal vor, bei dem es um eine spannende Frage geht: Hat die Regierung Netanjahu im Januar nur unter dem Druck der ultra-orthodoxen Schas-Partei der Ernennung des Juristen David Bar On zum Generalstaatsanwalt und Rechtsberater des Kabinetts zugestimmt? Die Rede ist von Erpressung. Schas-Chef Arie Deri soll damit gedroht haben, seine Partei würde andernfalls gegen das Hebron-Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern stimmen. Die Sicherheitsbehörden empfahlen, auch Ermittlungen gegen Justizminister Tsahi Hanegbi, Netanjahus Berater Awigdor Lieberman (beide Likud-Block) sowie gegen den Schas-Chef Arie Deri aufzunehmen.
Einen Rücktritt, wie Schimon Peres, der Chef der opposionellen Arbeiterpartei, und andere Oppositionspolitiker gefordert hatten, lehnte Netanjahu am Donnerstag ab. Die Vorwürfe gegen den Premier seien beispiellos, sagte Peres. In palästinensischen Kreisen machte sich derweil die Sorge breit, daß die innenpolitische Krise in Israel den Friedensprozeß vorerst blockieren könne. Zugleich gibt es aber Hoffnungen. Der palästinensische Präsident Yassir Arafat bezeichnete die Affäre zwar als innerisraelische Angelegenheit, doch ein politisches Ende des verhaßten Netanjahu käme den Palästinensern sicher gelegen.
Ob mit Netanjahu erstmals ein israelischer Premier unter Anklage gestellt wird, soll nun bis Montag die zuständige Staatsanwältin Edna Arbel entscheiden.
Gibt es eine Anklage, müßte Netanjahu nicht automatisch zurücktreten. Täte er es aber, wären innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen fällig.
Die Schas-Partei, die Netanjahus Mehrheit im Parlament sichert, hat bereits angekündigt, daß sie im Falle einer Anklage die Regierungskoalition verlassen würde. Auch vier nicht zur Schas-Partei gehörende Minister erklärten, sie würden das Kabinett verlassen, falls sich die Vorwürfe gegen Netanjahu erhärteten.
Der für den Premier problematische Polizeibericht stützt sich vor allem auf einen »zentralen Zeugen«. Dabei handelt es sich um den Anwalt Dan Avi Yitzhak, der sich ebenfalls um den Posten des Generalstaatsanwalts beworben hatte, aber Bar On den Vortritt lassen mußte. Bar On war wenige Tage nach seiner Ernennung aufgrund lautstarker öffentlicher Proteste von seinem Posten zurückgetreten.
Ein Ergebnis hat die Bibi-Krise bereits: Unterbrochen wurde die Diskussion um eine Große Koalition zwischen dem Likud- Block und der Arbeitspartei. Solange Netanjahu unter Anklagedrohung stehe, kämen Gespräche darüber nicht in Frage, sagten Vertreter der Arbeitspartei.
AP/AFP/jW
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