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Aus: Ausgabe vom 28.07.2009, Seite 3 / Schwerpunkt

Chronik: Der Fall »Emmely«

Am heutigen Dienstag befaßt sich das Bundesarbeitsgericht in Erfurt mit dem Fall der Kassiererin Barbara E., die von Unterstützern und Medien »Emmely« genannt wird.

Im Februar 2008 wurde das aktive ver.di-Mitglied, eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern, wegen angeblicher Unterschlagung von Pfandbons im Wert von 1,30 Euro nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit fristlos entlassen. Sie war seit 1977 zunächst für die DDR-Handelskette HO tätig, zum Zeitpunkt der Kündigung seit 15 Jahren in einer Kaiser’s-Filiale in Berlin-Hohenschönhausen.

Gegen die außerordentliche Kündigung äußerte der Betriebsrat Bedenken und legte gegen die beabsichtigte hilfsweise ordentliche Kündigung Widerspruch ein.

Die Kassiererin, ihr Anwalt und die Gewerkschaft ver.di, die ihr Rechtsschutz gewährt, vermuteten, Hintergrund der Kündigung sei die Beteiligung der Frau an Streiks im Einzelhandel Ende des Jahres 2007. Anschließend war sie nur noch zu Spätschichten eingeteilt worden, der Filialleiter schloß sie im Januar 2008 von einer Feier der Beschäftigten aus.

Die Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Berlin im August 2008 ab. Begründung: Eine Verdachtskündigung sei gerechtfertigt gewesen; das Vertrauensverhältnis sei zerrüttet. Zeugen hätten bestätigt, daß »Emmely« die Bons zu Lasten ihres Arbeitgebers eingelöst habe. Das Gericht ließ Berufung zu.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte das Urteil im Februar 2009. Es hielt sich an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von 1984 im »Bienenstichfall«, wonach auch die »Entwendung einer Sache von geringem Wert« geeignet sei, »einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben«. Keine Rolle spielte die Unschuldsvermutung, da diese im Strafrecht gilt, nicht aber im Arbeitsrecht.

Nach dieser Entscheidung kündigte der Anwalt »Emmelys« an, notfalls das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg anzurufen.

Der Weg durch die Rechtsinstanzen wurde von zahlreichen Solidaritätsaktionen begleitet. Gewerkschafter bildeten das Komitee »Solidarität mit Emmely«. Es gab Protestaktionen und Boykottaufrufe gegen Kaiser’s Tengelmann. Ein offener Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Firma wurde von mehreren Bundestagsabgeordneten unterzeichnet, das Solidaritätskomitee brachte eine Petition beim Bundestag ein, die vom Petitionsausschuß abgelehnt wurde. Medien erhielten eine Flut von Leserbriefen zu dem Thema.

Das Bundesarbeitsgericht hat zu entscheiden, ob Revision zugelassen wird und sich das Landesarbeitsgericht erneut mit dem Fall befassen muß.

(jW)

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