Aus: Ausgabe vom 03.08.2009, Seite 13 / Feuilleton
Instinkt im Studio
Auf dem Privatgelände des Filmstudios Potsdam-Babelsberg ist
eine Straße, die am Haupteingang vorbeiführt,
»Quentin-Tarantino-Straße« getauft worden. Der
Autorenfilmer hat kürzlich Teile seiner antifaschistischen
Klamotte »Inglorious Basterds« auf dem Gelände
gedreht. »Wir wollten zeigen, daß wir im Hier und Jetzt
angekommen sind«, erklärte Carl L. Woebcken,
Vorstandschef des Studios. Im US-Fernsehen wurde ausführlich
berichtet. Das Signal ist also in Hollywood angekommen. Was dort
kaum interessiert: Die Straße hieß bisher nach Heiner
Carow, dem Regisseur großartiger DEFA-Filme, darunter
»Paul und Paula«. Lothar Bisky, zu DDR-Zeiten Rektor
der nahen Filmhochschule, nannte die Umbenennung in der Berliner
Zeitung vom Samstag »völlig instinktlos«, ohne was
gegen den neuen Patron zu haben: »Ich gönne Tarantino,
dessen Filme ich leidenschaftlich gern sehe, jede Ehre der
Welt.« Auch Woebcken gab sich gegenüber dem Blatt
untröstlich: »Wir wußten einfach nicht, daß
die Straße nach Heiner Carow benannt war.« Dafür
spricht: Auf der Internetseite des Studios hieß sie am
Freitag noch »Heiner-Corow-Straße«. Das Studio
will jetzt eine bisher unbenannte Straße auf dem Gelände
nach dem DEFA-Regisseur benennen. Sollte das nicht passieren,
würde der SPD-Oberbürgermeister von Potsdam einen
postwendend eingereichten Antrag der Linkspartei unterstützen,
dann hieße bald eine öffentliche Straße der Stadt
nach dem DDR-Nationalpreisträger. Einigen
Entscheidungsträgern dürfte eine Corow-Gasse auf dem
Privatgelände lieber sein. (jW)
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