»So sind die jungen Leute nun einmal«
Der Pressestab hat eine staatstragende Begründung für den Termin auf Rügen parat: Minister Volker Rühe wolle das Engagement der Bundeswehr in den neuen Ländern herausstreichen. Der Grund, warum der Verteidigungsminister am Dienstag die neue Werbekampagne für die Bundeswehr unter dem Motto »Ja, Dialog« unter dem idyllischen Leuchtturm von Kap Arkona präsentierte, war aber profaner: Rühe durchwandert in seinem Urlaub gerade die Ostsee-Insel. So wurden im Zelt unter dem 1827 gebauten Schinkel-Leuchtturm sechs TV- Spots vorgestellt, die in den kommenden elf Wochen über die Fernsehschirme flimmern sollen. Unter ihren Porträts auf den Werbeplakaten sitzen die vier neuen Filmstars der Bundeswehr. Aus 120 Mitbewerbern waren die Wehrpflichtigen Christoph, Marc, Björn und Danny ausgesucht worden; 28 Stunden Filmmaterial belichtete die Werbeagentur mit ihren begeisterten Aussagen zur Bundeswehr und filterte daraus 45-Sekunden-Spots. In den Videoclips mit peppiger Musik erzählen die jungen Männer von Teamarbeit, Kameradschaft, »Wahnsinn« und daß die Vorurteile vom Rumgammeln »alles Quatsch« seien. »Da ist was los, da geht's zur Sache«, schwärmt einer von ihnen über den Dienst. Nichts sei ihnen vorgegeben worden, er habe »frei Schnauze« reden können, berichtet Danny, Wehrdienstleistender bei der Luftwaffe. Auch Rühe schwärmt von den Aufnahmen, weil sie so authentisch seien. Zwar habe er überlegt, das Lob Dannys auf den Lärm eines Tornado-Kampfflugzeugs rausschneiden zu lassen, »aber so sind die jungen Leute nun einmal«. Mit Kritikern, die das politisch nicht korrekt fänden, könne er leben.
10,6 Millionen Mark steckte Rühe in die Kampagne, mit der vor allem Grundwehrpflichtige angesprochen werden sollen, damit sie schon vor dem Einrücken in die Kaserne besser über die Bundeswehr Bescheid wissen. Daß die Spots ein bißchen nach Abenteuer und Pfadfinderlager aussehen, aber kaum vom vermeintlichen Standardproblem des Herumgammelns die Rede ist, läßt der Minister nicht gelten. »Statt Rumgammeln ist inzwischen Überforderung zum Problem geworden«, sagt Rühe.
Nach dem Skandalvideo von Hammelburg, der Ausländerhatz durch Detmold oder dem jüngsten Brandanschlag in Dresden braucht die Bundeswehr offenbar dringend derartige Imagepflege.
(jW/AFP)
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