Aus: Ausgabe vom 18.09.2009, Seite 3 / Schwerpunkt
Online kompetent. Aber offline?
Hilflos agieren die Piraten gegenüber rechten Anbiederungs-
und Unterwanderungsversuchen. So wurde der Geschichtsrevisionist
Bodo Th. von der Piratenpartei in Rheinland-Pfalz zum Ersatzrichter
gewählt und erhielt auch einen Platz auf der Landesliste,
obwohl er den Holocaust ebenso wie die deutsche Kriegsschuld am
Zweiten Weltkrieg in Frage gestellt hatte. Nach Bekanntwerden von
Th.s »fragwürdigen Äußerungen zum
Holocaust« (so der Parteivorstand) entbrannte in den
Onlinediskussionsforen der Partei eine heftige Diskussion.
Befürworter und Gegner einer »Meinungsfreiheit«,
die auch Holocaustrelativierung und -leugnung umfaßte,
hielten sich etwa die Waage. Schließlich wurde Th. vom
Vorstand mit drei zu zwei Stimmen aller Parteiämter enthoben
und ein Parteiausschlußverfahren eingeleitet. Im September
tappte dann der stellvertretende Bundesvorsitzende Andreas Popp in
das rechte Fettnäpfchen und gab der extrem rechten
Wochenzeitung Junge Freiheit ein Interview. Nicht Popps Aussagen
– von Rechtsextremen hatte er sich klar distanziert –,
aber die Tatsache, daß sich der Repräsentant einer
Bürgerrechtspartei als Aushängeschild der Ultrarechten
benutzen ließ, stieß auf Kritik in den Foren der
Partei. Er habe diese Zeitung nicht gekannt und erst nach dem
Interview den Eintrag im Online-Lexikon Wikipedia gelesen,
entschuldigte sich der Computer-Nerd dafür, »mit diesem
seltsamen Blatt« gesprochen zu haben. Der
Piraten-Bundesvorsitzende Jens Seipenbusch tadelte seinen
Stellvertreter Popp als »nicht klug«. Dabei verschwieg
der Piraten-Kapitän, daß er selbst einen Fragebogen der
Jungen Freiheit ausgefüllt hatte, in dem er über
Brasilien, Frank Zappa und den Urknall plauderte.
Genüßlich präsentierte die Junge Freiheit den
Fragebogen am Mittwoch dieser Woche auf ihrer Website.
Zwar hat die große Mehrheit der Mitglieder der Piratenpartei mit rechtsextremem Gedankengut nichts am Hut. Doch da hier Meinungsfreiheit völlig losgelöst von realen politischen Entwicklungen gesehen wird, haben die Piraten eine offene Flanke nach Rechtsaußen. Oder – um es mit den Worten des IT-Portals Golem.de auszudrücken: Möglicherweise fehlt der Piratenpartei die »Offline-Kompetenz«. (pw)
Zwar hat die große Mehrheit der Mitglieder der Piratenpartei mit rechtsextremem Gedankengut nichts am Hut. Doch da hier Meinungsfreiheit völlig losgelöst von realen politischen Entwicklungen gesehen wird, haben die Piraten eine offene Flanke nach Rechtsaußen. Oder – um es mit den Worten des IT-Portals Golem.de auszudrücken: Möglicherweise fehlt der Piratenpartei die »Offline-Kompetenz«. (pw)
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