Zwangsurlaub für Delegierte
Zum Risiko für die Flugsicherheit wurden am 7. August 35 bundesdeutsche Delegierte der XIV. Weltfestspiele der Jugend und Studenten auf Kuba. Der Kapitän des Fluges Condor 4 195 von Varadero nach Frankfurt am Main hatte sie kraft seines Hohheitsrechtes an Bord der Boeing 767 dazu erklärt. Die Delegierten mußten am Boden bleiben und kamen erst am Dienstag dieser Woche wieder nach Hause.
Dem Vorfall war eine Auseinandersetzung zwischen zwei Fluggästen vorausgegangen. Einer der beiden war auf dem Flugfeld mit dem verbotenen »Kühnen-Gruß« der Neonazis aufgefallen. Darauf von einem Delegierten angesprochen, schlug der Nazi wortlos zu. Das folgende Handgemenge war nach Auskunft der Betroffenen Anlaß für den Condor- Flugkapitän, einige von ihnen aus dem Flugzeug zu schicken. Als es daraufhin zu Diskussionen zwischen dem Copiloten und anderen Fluggästen kam, wurden alle Passagiere der Maschine verwiesen.
Die Delegierten durften nicht wieder ihre Plätze einnehmen. Zuvor war es dem »Kühnen-Gruß«-Fluggast nicht gelungen, denjenigen zu identifizieren, den er geschlagen hatte. So erklärte der Flugkapitän kurzerhand neben dem Schläger die ganze Delegierten-Gruppe zum Flugrisiko. Darunter waren auch ausländische Weltfestspielteilnehmer. »Das ist alles eine Familie, die bleiben alle hier«, gaben die Betroffenen gegenüber junge Welt eine Äußerung des Copiloten wieder.
Erst nach Intervention der kubanischen Behörden durften die ausländischen Teilnehmer und zwei ehemalige KZ-Häftlinge aus der BRD, Ehrengäste der kubanischen Regierung, die Boeing wieder besteigen. Bis Montag dieser Woche mußten die 35 Delegierten dann auf ihren Rückflug warten.
Für Ulf Künemund, einer der Zurückgelassenen, ist es eine »politische Sache«. Die Delegierten seien aufgrund ihrer Flugausweise von den Fluggästen aussortiert worden. Auf diesen fehlte der Aufkleber vom Aus-Checken. Das brauchten alle Teilnehmer der Weltfestspiele auf Kuba nicht zu bezahlen.
Künemund und die anderen Betroffenen werfen dem Flugunternehmen Condor, einer Lufthansa-Tochter, vor, auch auf Kranke und Minderjährige keine Rücksicht genommen zu haben.
Derjenige, der sich als Nazi geoutet hatte, mußte ebenfalls bis Montag auf der Insel bleiben. Erst sollte er im gleichen Hotel wie die Delegierten warten, berichtete Künemund. Doch die kubanischen Behörden hätten den Schläger dann doch woanders untergebracht. Den Rückflug habe er außerdem mit einer anderen Maschine angetreten.
Herbert Euler, Condor-Pressesprecher, verteidigte die Entscheidung des Piloten. »Es mußten alle raus, weil klar war, daß der Flugkapitän mit dieser Gruppe nicht fliegen konnte.« Die Verhaltensweise sei das Kriterium gewesen, erklärte Euler gegenüber jW. Das »gesamte Auftreten der Damen und Herren« hätten dem Flugkapitän als erfahrenen Piloten keine andere Wahl als den Ausschluß der Delegierten aus der Maschine gelassen.
Die 35 Delegierten wollen sich am Montag treffen und ihr Vorgehen beraten. Künemund verwies nicht nur auf zusätzliche Kosten und Probleme an ihren Arbeitsstellen, sondern auch auf den psychischen Druck durch die Situation am 7. August. Laut Pressesprecher Euler prüft Condor rechtliche Schritte gegen die ausgeschlossenen Fluggäste.
(jW)
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