Tsunami aus Wandlitz
Am 23. 11. 1989 lief im DDR-Fernsehen erstmals eine Reportage über die Wohnsiedlung führender SED-Funktionäre in Wandlitz. Jan Carpentier hatte sie für das Jugendformat »Elf 99« gemacht. »Einzug ins Paradies« war ihr Titel. Sie »schlug ein wie eine Bombe«, erinnerte sich Carpentier am Donnerstag auf Spiegel online. »Ein Tsunami von Briefen« sei »über die Redaktion« gekommen: »Jetzt muß aufgeräumt werden! Überall! Schonungslos! Nieder mit den Privilegien!« Carpentier, der Karriere bei der »Aktuellen Kamera« gemacht hatte und mit Honecker schon in Paris und Peking gewesen war, »saß wie vom Donner gerührt in meinem Redaktionszimmerchen in Berlin-Adlershof« und fragte sich: »Wofür halten die da draußen mich jetzt eigentlich? Für den unerbittlichen Funktionärsarschaufreißer?« 20 Jahre lang hat er dann immer das gleiche erklärt: »Nein, es war nicht investigativ! Es war ein offizieller Pressetermin (auch wenn der erst durch unser hartnäckiges Nachfragen zustande kam). Nein, die Einfamilienreihenhäuser in der Waldsiedlung Wandlitz, über deren Größe und Ausstattung sich jeder gut beschäftigte Handwerker, Kneipenwirt oder Filmschauspieler in der DDR nur totlachen konnte, haben mein Gerechtigkeitsempfinden nicht auf die Barrikaden gejagt. Nein, West-Badarmaturen in Häusern von Politbüromitgliedern haben mich nie interessiert! Nein, ein beheiztes Schwimmbad und ein paar Birnen, Bananen und Tomaten im Bonzen-Konsum haben mich nicht wütend gemacht.« Überschrieben waren Carpentiers Erinnerungen auf Spiegel online mit: »Im Rückblick würde er den Beitrag am liebsten ungeschehen machen«. (jW)
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