Aus: Ausgabe vom 16.12.2009, Seite 13 / Feuilleton
Dummheit im Volksmund
»Turbotölpel«, »begabt zu etwas wie ein
Schwein zum Stabhochsprung«, »Und was sagen Sie als
Unbeteiligter zum Thema Intelligenz?« – es gibt viele
Redewendungen über die Dummheit. Dagmar Schmauks von der
Arbeitsstelle für Semiotik der Technischen Uni Berlin hat sie
gesammelt. »Gerade die Beschreibungen von Dummheit erlauben
einen Blick auf die Vorstellungen, die wir uns von unserem Gehirn
und seiner Tätigkeit machen«, sagt sie. »Heute
wissen wir, daß das Denken sich im Kopf abspielt. Daraus
resultieren Beschreibungen schlauer Leute als ›kluge
Köpfe‹ oder Menschen mit ›Köpfchen‹.
Andererseits ist ein dummer Mensch ›auf den Kopf
gefallen‹.
Die Sprachforscherin hat einander ergänzende Beschreibungsmodelle ermittelt. Im einfachsten Fall wird angenommen, das Gehirn würde fehlen (»Hohlkopf«), sei zu klein (»Gehirn einer Laus«) oder zu weich (»Matschkopf«). Beschädigt wird es durch Hitze (»hirnverbrannte Idee«), Tiere (»eine Meise haben«) oder äußere Gewalt (»einen Hau haben«).
Gedächtnismodelle vergleichen es mit einem Behälter (»Sprung in der Schüssel«) und das Lernen mit der Nahrungsaufnahme (»Magersucht im Hirn«) oder dem Entstehen einer Spur (»Vom Winde verweht!«). Faßt man das Verstehen als Sehen auf, so Schmauks, läßt sich Dummheit als schwache Lichtquelle (»kein heller Kopf«), Sichthindernis (»Scheuklappen tragen«) oder Sehfehler erklären (»Tunnelblick«).
Komplexere Modelle verstehen Dummheit als ungeschicktes Handeln (»Kaffeewasser anbrennen lassen«, »Seerosen gießen«, »eine Gehirn-OP mit der Spitzhacke ausführen«). Weitere Wendungen verdanken sich der Tatsache, daß das Denken in der Zeit abläuft und damit der Fortbewegung ähnelt (»sprunghaftes Denken«, »ohne Kompaß unterwegs«, »Verstehenshürden«). Außerdem dringen Dumme nicht weit genug in die Tiefe vor (»Dünnbrettbohrer«) oder haben keine Bodenhaftung (»auf der Seife stehen«).
Gern wird das Denken mit dem Benutzen technischer Geräte verglichen. Dumme haben »eine Schraube locker« oder »laufen neben der Spur«. Wendungen wie »geistige Stromsparlampe« oder »Besorg dir doch mal ein Upgrade für dein Hirn« belegen, daß neue Techniken zügig in der Metaphorik Einzug halten. (jW)
Die Sprachforscherin hat einander ergänzende Beschreibungsmodelle ermittelt. Im einfachsten Fall wird angenommen, das Gehirn würde fehlen (»Hohlkopf«), sei zu klein (»Gehirn einer Laus«) oder zu weich (»Matschkopf«). Beschädigt wird es durch Hitze (»hirnverbrannte Idee«), Tiere (»eine Meise haben«) oder äußere Gewalt (»einen Hau haben«).
Gedächtnismodelle vergleichen es mit einem Behälter (»Sprung in der Schüssel«) und das Lernen mit der Nahrungsaufnahme (»Magersucht im Hirn«) oder dem Entstehen einer Spur (»Vom Winde verweht!«). Faßt man das Verstehen als Sehen auf, so Schmauks, läßt sich Dummheit als schwache Lichtquelle (»kein heller Kopf«), Sichthindernis (»Scheuklappen tragen«) oder Sehfehler erklären (»Tunnelblick«).
Komplexere Modelle verstehen Dummheit als ungeschicktes Handeln (»Kaffeewasser anbrennen lassen«, »Seerosen gießen«, »eine Gehirn-OP mit der Spitzhacke ausführen«). Weitere Wendungen verdanken sich der Tatsache, daß das Denken in der Zeit abläuft und damit der Fortbewegung ähnelt (»sprunghaftes Denken«, »ohne Kompaß unterwegs«, »Verstehenshürden«). Außerdem dringen Dumme nicht weit genug in die Tiefe vor (»Dünnbrettbohrer«) oder haben keine Bodenhaftung (»auf der Seife stehen«).
Gern wird das Denken mit dem Benutzen technischer Geräte verglichen. Dumme haben »eine Schraube locker« oder »laufen neben der Spur«. Wendungen wie »geistige Stromsparlampe« oder »Besorg dir doch mal ein Upgrade für dein Hirn« belegen, daß neue Techniken zügig in der Metaphorik Einzug halten. (jW)
Dagmar Schmauks: Denkdiäten, Flachflieger und geistige Stromsparlampen - Die kognitive Struktur von Redewendungen zur Dummheit. Shaker Verlag, Aachen 2009, 126 Seiten, 19,80 Euro
Heute, 15.30 Uhr, stellt Schmauks in der Berliner Urania ihr Buch über kognitive Strukturen von Redewendungen zur Dummheit vor.
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