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Aus: Ausgabe vom 13.02.2010, Seite 3 / Schwerpunkt

Ein Ministerium als Zitatfälscher

Thomas Immanuel Steinberg sprach am Donnerstag abend in Hamburg auf der Veranstaltung »Islamische Republik Iran: Am Ende oder im Aufschwung?« über die Fälschung eines Ahmadinedschad-Zitats und seine Folgen. jW dokumentiert den Vortrag gekürzt. Vollständiger Wortlaut im Internet: www.steinbergrecherche.com

Im Jahr 1979 stürzte die iranischen Opposition das Schah-Regime. Am Sturz war die kommunistische Tudeh-Partei beteiligt, jedoch nicht an führender Stelle. Drei Jahre später verhafteten die Kräfte, die heute noch im Iran herrschen, Tausende Anhänger der Tudeh-Partei. Viele richteten sie hin. Bis heute inhaftieren die iranischen Herrscher politische Gegner oder richten sie hin. Darin gleichen sie ihren außenpolitischen Gegnern. Die US-amerikanischen und die israelischen Herrscher sperren ebenfalls politische Gegner in ihrem Herrschaftsbereich in Gefängnisse oder Lager oder bringen sie um.

Der Staat Iran hat jedoch, anders als die Vereinigten Staaten und der Staat Israel, zumindest in diesem und im vorigen Jahrhundert, kein fremdes Staatsgebiet angegriffen oder gar erobert und besetzt. Die Vereinigten Staaten und der Staat Israel unterstellen nunmehr dem Staat Iran, er wolle den Staat Israel angreifen und das Land vernichten. Sie stützen sich dabei auf Aussagen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, vor allem auf die Behauptung, Ahmadinedschad habe am 26. Oktober 2005 in Teheran gesagt, er wolle Israel von der Landkarte tilgen.

Ich habe mich mit dieser Behauptung befaßt, weil sie in den USA, in Israel und in der deutschen Presse dazu dient, einen Angriff der US-amerikanischen und der israelischen Streitkräfte auf den Iran im Vorhinein zu rechtfertigen. Was die deutsche Presse anlangt, vermerkte die Gruppe Arbeiterfotografie im Frühjahr 2006: »dem Erdboden gleichmachen, zerschlagen, vernichten, zerstören, tilgen, ausradieren, von der Landkarte löschen – das habe der iranische Präsident gefordert – lesen oder hören wir Ende Oktober 2005 in der taz, in der Berliner Zeitung, der Welt, im stern, im Spiegel, in der Zeit, in der FAZ, der Frankfurter Rundschau, beim ZDF, in der Tagesschau und bei N24.«

Doch was hatte der iranische Präsident Mahmud Ahamdinedschad tatsächlich am 26. Oktober 2005 gesagt? Er hatte zustimmend den Revolutions­führer Ruhollah Musavi Khomeini zitiert mit dem Satz: »Dieses Regime, das Jerusalem besetzt hält, muß von der Seite der Geschichte (wörtlicher: von der Seite der Zeit/des Zeitenlaufs) verschwinden.«


Ahmadinedschad hat also in seiner Rede weder angekündigt, etwas zu tun, noch dazu aufgefordert, etwas zu tun. Er hat dringend gewünscht. Was hat er dringend gewünscht? Weder hat er dringend gewünscht, daß etwas von der Landkarte gelöscht, noch, daß es getilgt, zerschlagen oder gar vernichtet wird; sondern: daß etwas verschwindet.

Was sollte verschwinden? Weder sollte Israel verschwinden, noch die Israelis, noch gar, wie einige behaupten, die Juden. Vielmehr hat der Präsident dringend das Verschwinden des Regimes gewünscht, das Jerusalem besetzt hält. Das ist jenes Regime, das zur Zeit die Palästinenser quält, Gaza belagert, die syrischen Golanhöhen beherrscht und das Westjordanland sowie Ostjerusalem Schritt für Schritt annektiert.

Aus dem dringenden Wunsch des Präsidenten nach dem Verschwinden dieses Regimes machte die deutsche Presse eine Aufforderung zur Vernichtung Israels. Auch eine Dienststelle der Bundesregierung, die Bundeszentrale für politische Bildung, verbreitete die Lüge. Sie roch genauso wie all die Lügen, die den Vietnamkrieg vorbereitet und begleitet hatten; die Unterstützung des Schahregimes; die Zerschlagung Restjugoslawiens; die Invasion Afghanistans und die Zertrümmerung des Irak. Diese Dienststelle der Bundesregierung, die Bundeszentrale für politische Bildung, stellte ihrem Internet-Dossier mit dem Titel »Antisemitismus« den Satz voran: »seiner Äußerung, Israel von der Landkarte tilgen zu wollen, sorgte Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Oktober 2005 weltweit für Empörung.«

Ich monierte am 15. Januar 2008 die Falschübersetzung bei der Bundeszentrale unter Verweis auf Arbeiterfotografie. Da das Falschzitat unmittelbar unter der Überschrift »Antisemitismus« stand, schrieb ich zum Schluß: »Sie, sehr geehrte Damen und Herren, erweisen überdies mit Ihrer fehlerhaften Wiedergabe der Ahmadinedschad-Äußerung dem Kampf gegen Judäophobie einen Bärendienst.«

Auf diese und drei weitere offene Mails zur Zitatfälschung reagierte die Bundeszentrale nicht. Ich schrieb deshalb an die Fachaufsicht der Bundeszentrale beim Bundesinnenministerium (…). Am 20. Februar 2008, gut einen Monat nach meiner ersten Mail, reagierte im Namen des Ministeriums Frau Hesse mit einem Brief, der schloß: »[Es] besteht keine Veranlassung für die von Ihnen gewünschte Korrektur.« Kein Anlaß zur Korrektur bestehe dem Bundesinnenministerium zufolge deshalb, weil Bundesregierung, Europäische Union und Vereinte Nationen wiederholt ihre Haltung zum Holocaust und zum Existenzrecht Israels deutlich gemacht und jede Drohung gegen Israel verurteilt hätten. Ich antwortete: »halten an der Lüge fest: Andere ja auch. Das kennen wir aus der deutschen Geschichte.«

Dank der unermüdlichen Arbeit der Arbeiterfotografen haben sich zwar Spiegel, dpa und Zweites Deutsches Fernsehen von der Falschübersetzung distanziert. Doch die Falschübersetzung steht bis heute auf der Seite der Bundeszentrale. Und weiterhin wimmelt es in der Presse von noch phantasievolleren Fälschungen. Auf sie stützen sich die israelischen, US-amerikanischen und bundesdeutschen Sanktions- und Kriegsdrohungen gegen den Iran.

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