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Aus: Ausgabe vom 11.03.2010, Seite 13 / Feuilleton

100 Jahre Havemann

Mit dem Verschwinden der DDR bekamen ihre einstigen linken Kritiker (nicht zu verwechseln mit ihren antikommunistischen Gegnern) etwas lächerliches. Daß sie vom bürgerlichen Feuilleton nach Belieben auf- und wieder abgebaut werden konnten, merkten Leute wie Stefan Heym, Christa Wolf, Rudolf Bahro und diverse Bürgerrechtler, an deren Namen man sich schon gar mehr erinnert, viel später als der durchschnittliche Fernsehzuschauer. Je länger die DDR verblichen war, desto rarer wurden ihre Fernsehauftritte. So wie viele ehemalige DDR-Bürger, vom Tellerwäscher bis rauf in die Spitzen der Bürokratie, erstaunt feststellen mußten, daß der im Wettlauf der Systeme erstmal siegreiche westdeutsche Kapitalismus genauso funktioniert, wie es die SED immer beschrieben hatte, wunderten sich die linken Kritiker, daß sich für ihre früheren Verbesserungsvorschläge eigentlich niemand mehr interessierte.

Deshalb wird der heutige 100. Geburtstag von Robert Havemann nicht sonderlich gefeiert. Der Chemiker und Nationalpreisträger der DDR, der 1945 von der Roten Armee aus der Todeszelle im Zuchthaus Brandenburg befreit worden war, wandelte sich 60er Jahren vom ostdeutschen Starwissenschaftler zum Stardissidenten. Eine Rolle, die er, die DDR und die BRD bis zu seinem Tod 1982 durchhielten. Ursprünglicher Anlaß war seine »seltsame Frage, ob die Philosophie des dialektischen Materialismus den Naturwissenschaften geholfen habe oder nicht. Havemann verneinte die Frage im wesentlichen und hielt das offenbar für eine Widerlegung des dialektischen Materialismus. Folgte man ihm, hatten ›offizielle‹ Vertreter des dialektischen Materialismus daran Schuld« (Arnold Schölzel). Nachdem Havemann 1976 im Spiegel gegen die idiotische Ausbürgerung von Wolf Biermann, dem »Eduard Bernstein des Tingeltangel«, wie Peter Hacks damals anmerkte, protestiert hatte, wurde gegen ihn Hausarrest verhängt. Das war dann leider das interessanteste an ihm, sogar sein alter Freund Wolf Biermann solidarisierte sich mit ihm nach Jahren der Entzweiung. Jetzt saß er ja im Westen.

Mit der DDR verschwand auch der offizielle Havemann, und es wurde inoffiziell. Wer wollte, konnte sich über seine Karrieren in den verschiedenen Geheimdiensten informieren oder bei seinem Sohn Florian lernen, wie man ein Skandalbuch über die eigene Familie verfaßt – was dann 2007 gleich nach Erscheinen vom Verlag wieder zurückgezogen werden mußte. Als es 2008 in zensierter Fassung vorlag, war auch daran das allgemeine Interesse erloschen.


Das alles sind Hinweise darauf, daß man über Robert Havemann noch eine schöne Fernsehserie (zirka 70 Folgen) schreiben könnte.

(cm)

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