Aus: Ausgabe vom 26.03.2010, Seite 3 / Schwerpunkt
»Die Schule der Nation ist die Schule«
In Köln wurde der Aufruf »Schule ohne Bundeswehr«
veröffentlicht. Er wendet sich gegen die immer aufwendigeren
Werbeoffensiven der deutschen Armee an Schulen, Arbeitsämtern
und im Freizeitbereich. »Insbesondere durch den
Kooperationsvertrag, den das nordrhein-westfälische Schul- und
Bildungsministerium mit der Bundeswehr geschlossen hat (inzwischen
ist das Saarland gefolgt), soll eine Beeinflussung der Schüler
und Lehrer bereits weit im Vorfeld stattfinden«, heißt
es auf der Internetseite www.jungegew.de. Gegen diese
interessengeleitete Einflußnahme wenden sich die
Erstunterzeichner des Aufrufs. Dies sind vor allem Lehrerinnen und
Lehrer aus Köln und der unmittelbaren Umgebung,
Wissenschaftler, die in der Lehrerbildung tätig sind und
Kulturschaffende, darunter die Schriftsteller Günter Wallraff
und Roger Willemsen, das Kölner Kabarettistentrio Jürgen
Becker, Heinrich Pachl und Wilfried Schmickler sowie der Publizist
Martin Stankowski.
Die Schule der Nation ist die Schule.« Aus aktuellem Anlaß scheint uns geboten, auf diesen Grundsatz in Willy Brandts erster Regierungserklärung zurückzukommen. Er setzt sich damit von der altbekannten Formel »Armee als Schule der Nation« entschieden ab und fordert die »Erziehung eines kritischen, urteilsfähigen Bürgers, der imstande ist, durch einen permanenten Lernprozeß die Bedingungen seiner sozialen Existenz zu erkennen und sich ihnen entsprechend zu verhalten«.
Wir erinnern daran, weil die Bundeswehr von Jahr zu Jahr breiter angelegte Reklamefeldzüge veranstaltet, um Jugendliche, meist Minderjährige, für das Soldatenhandwerk zu gewinnen. So sollen in diesem Jahr 40 Städte vom sogenannten »Karriere-Treff« der Bundeswehr angesteuert werden. Damit ganze Klassen das mobile Werbe-Event besuchen, werden Schulen angeschrieben, 2008 mehr als 1700mal, doppelt so oft wie 2007. Für 2009 sind 599 Einsätze bei Jugend-, Freizeit- und Bildungsmessen vorgesehen. Außerdem sind Arbeitsämter und Berufsberatung direkt an Schulen Ziel der Jugendoffiziere und sogenannten Wehrdienstberater. Vielleicht gravierender als diese sichtbaren Auftritte sind Versuche, durch Einflußnahme auf den Unterricht frühzeitig motivierte Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen. Dem dienen Lehrerfortbildungen, vorgefertigte Unterrichtseinheiten, Freizeitangebote mit Abenteuerflair oder auch Seminare mit dem Strategiespiel POL&IS. Dies alles soll die Jugendlichen in die Denkweise global agierender Militärpolitik einführen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat durch einen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr diesen Werbefeldzügen in Richtung Schule Tür und Tor geöffnet.
Im Kern all dieser Anstrengungen stehen Inhalte, die in der Gesellschaft höchst umstritten und oftmals mehrheitlich nicht akzeptiert sind. Zum Beispiel lehnen über 60 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger den Militäreinsatz in Afghanistan ab, bei der Entsendung der Tornado-Kampfflugzeuge waren es sogar 77 Prozent.
Da zum Krieg entschlossene Regierungen nicht davor zurückschrecken, die Zustimmung von Bevölkerung und Verbündeten mit erfundenen Behauptungen zu erreichen, ist ein Unterricht, der die Schülerinnen und Schüler zum kritischen Hinterfragen, zum Verarbeiten vielseitiger Information befähigt, gerade in dieser Frage, welche Rolle das Militär in der Gesellschaft spielt und spielen soll, unverzichtbar.
Terrorismus und dessen Bekämpfung sind durchaus wichtige Unterrichtsthemen. Dabei müssen allerdings wirtschaftliche und politische Ursachen ebenso beleuchtet werden wie die verheerenden Auswirkungen sowohl des Terrorismus als auch dessen militärischer Bekämpfung für die Zivilbevölkerung, aber auch für die Soldaten. Untersucht werden muß, ob militärische Einsätze überhaupt geeignet sind, Terrorismus sowie die ihm u.a. zugrundeliegenden globalen Verteilungs- und Armutsprobleme zu lösen. Ihnen müssen Lösungsansätze einer zivilen Friedenspolitik entgegengesetzt werden. Einsichten können die Schüler nur dann gewinnen, wenn die Interessenlage aller an den Konflikten Beteiligten offengelegt wird. Dies gilt auch für die Strategiepapiere der Militärs.
Die Bedeutung von Dämonisierung anderer Völker und Religionen sowie die Produktion von Feindbildern müßte in diesem Zusammenhang tiefgehend im Unterricht erarbeitet werden. Erst wer über das ganze Problemfeld nachgedacht hat, wird als junger Erwachsener eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen können. (…)
Lehrerinnen und Lehrer sind aufgefordert, ihrer Verantwortung für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden, indem sie sie zu Menschen erziehen, die verantwortungsvolle und wohlinformierte Entscheidungen für ihre eigene Zukunft treffen können und nicht einer Werbekampagne zum Opfer fallen, die sie in ein tödliches Abenteuer leiten kann. (...)
Das Militär hat an Schulen, Arbeitsämtern, Bildungsmessen nichts zu suchen. Es darf keine Werbeanstrengungen, offen oder verdeckt, an den Schulen geben, keine Unterrichtseinheiten, die Schüler auf angebliche Sachzwänge orientieren, statt eine gründliche Problemanalyse zu erarbeiten, keine Freizeiten, die mit Abenteuergeist und Technikfaszination ein geschöntes Bild vom Leben als Soldat vorspiegeln.
Die Schule der Nation ist die Schule.« Aus aktuellem Anlaß scheint uns geboten, auf diesen Grundsatz in Willy Brandts erster Regierungserklärung zurückzukommen. Er setzt sich damit von der altbekannten Formel »Armee als Schule der Nation« entschieden ab und fordert die »Erziehung eines kritischen, urteilsfähigen Bürgers, der imstande ist, durch einen permanenten Lernprozeß die Bedingungen seiner sozialen Existenz zu erkennen und sich ihnen entsprechend zu verhalten«.
Wir erinnern daran, weil die Bundeswehr von Jahr zu Jahr breiter angelegte Reklamefeldzüge veranstaltet, um Jugendliche, meist Minderjährige, für das Soldatenhandwerk zu gewinnen. So sollen in diesem Jahr 40 Städte vom sogenannten »Karriere-Treff« der Bundeswehr angesteuert werden. Damit ganze Klassen das mobile Werbe-Event besuchen, werden Schulen angeschrieben, 2008 mehr als 1700mal, doppelt so oft wie 2007. Für 2009 sind 599 Einsätze bei Jugend-, Freizeit- und Bildungsmessen vorgesehen. Außerdem sind Arbeitsämter und Berufsberatung direkt an Schulen Ziel der Jugendoffiziere und sogenannten Wehrdienstberater. Vielleicht gravierender als diese sichtbaren Auftritte sind Versuche, durch Einflußnahme auf den Unterricht frühzeitig motivierte Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen. Dem dienen Lehrerfortbildungen, vorgefertigte Unterrichtseinheiten, Freizeitangebote mit Abenteuerflair oder auch Seminare mit dem Strategiespiel POL&IS. Dies alles soll die Jugendlichen in die Denkweise global agierender Militärpolitik einführen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat durch einen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr diesen Werbefeldzügen in Richtung Schule Tür und Tor geöffnet.
Im Kern all dieser Anstrengungen stehen Inhalte, die in der Gesellschaft höchst umstritten und oftmals mehrheitlich nicht akzeptiert sind. Zum Beispiel lehnen über 60 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger den Militäreinsatz in Afghanistan ab, bei der Entsendung der Tornado-Kampfflugzeuge waren es sogar 77 Prozent.
Da zum Krieg entschlossene Regierungen nicht davor zurückschrecken, die Zustimmung von Bevölkerung und Verbündeten mit erfundenen Behauptungen zu erreichen, ist ein Unterricht, der die Schülerinnen und Schüler zum kritischen Hinterfragen, zum Verarbeiten vielseitiger Information befähigt, gerade in dieser Frage, welche Rolle das Militär in der Gesellschaft spielt und spielen soll, unverzichtbar.
Terrorismus und dessen Bekämpfung sind durchaus wichtige Unterrichtsthemen. Dabei müssen allerdings wirtschaftliche und politische Ursachen ebenso beleuchtet werden wie die verheerenden Auswirkungen sowohl des Terrorismus als auch dessen militärischer Bekämpfung für die Zivilbevölkerung, aber auch für die Soldaten. Untersucht werden muß, ob militärische Einsätze überhaupt geeignet sind, Terrorismus sowie die ihm u.a. zugrundeliegenden globalen Verteilungs- und Armutsprobleme zu lösen. Ihnen müssen Lösungsansätze einer zivilen Friedenspolitik entgegengesetzt werden. Einsichten können die Schüler nur dann gewinnen, wenn die Interessenlage aller an den Konflikten Beteiligten offengelegt wird. Dies gilt auch für die Strategiepapiere der Militärs.
Die Bedeutung von Dämonisierung anderer Völker und Religionen sowie die Produktion von Feindbildern müßte in diesem Zusammenhang tiefgehend im Unterricht erarbeitet werden. Erst wer über das ganze Problemfeld nachgedacht hat, wird als junger Erwachsener eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen können. (…)
Lehrerinnen und Lehrer sind aufgefordert, ihrer Verantwortung für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden, indem sie sie zu Menschen erziehen, die verantwortungsvolle und wohlinformierte Entscheidungen für ihre eigene Zukunft treffen können und nicht einer Werbekampagne zum Opfer fallen, die sie in ein tödliches Abenteuer leiten kann. (...)
Das Militär hat an Schulen, Arbeitsämtern, Bildungsmessen nichts zu suchen. Es darf keine Werbeanstrengungen, offen oder verdeckt, an den Schulen geben, keine Unterrichtseinheiten, die Schüler auf angebliche Sachzwänge orientieren, statt eine gründliche Problemanalyse zu erarbeiten, keine Freizeiten, die mit Abenteuergeist und Technikfaszination ein geschöntes Bild vom Leben als Soldat vorspiegeln.
Vollständiger Wortlaut: www.jungegew.de/schule-ohne-bundeswehr.
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