Aus: Ausgabe vom 19.04.2010, Seite 13 / Feuilleton
Luxemburgs Selbstachtung
Das Neue Deutschland veröffentlicht in seiner heutigen Ausgabe
einen bislang unbekannten Brief von Rosa Luxemburg. Er ist an die
sozialdemokratische Pressekommission in Leipzig adressiert und
datiert vom 27. Februar 1902. In dem 15seitigen handschriftlichen
Schreiben in A-5-Format beschwert sich Luxemburg über Franz
Mehring, damals Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung. Er habe
einen Artikel von ihr »in einer Weise …
zusammengestrichen u. verstümmelt, dass ich niemals meine
Zustimmung zu der Veröffentlichung gegeben habe
würde«. Dabei handelt es sich um einen am 25. September
1902 in der LVZ erschienenen, namentlich nicht gekennzeichneten
Beitrag unter der Überschrift »Zur Schlichtung der
polnischen Zwistigkeiten«, der das Verhältnis von
polnischer und deutscher Sozialdemokratie thematisierte.
Luxemburg-Forschern ist bis dato lediglich bekannt gewesen,
daß es 1902 zu einem Zerwürfnis zwischen Rosa Luxemburg
und Franz Mehring gekommen ist, die Gründe hierfür
blieben jedoch weitgehend im Dunkeln. Das Rätsel löst der
neu aufgefundene Brief. Er befand sich in Familienbesitz und konnte
von der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen käuflich erworben
werden. Ihren Protest gegen die redaktionellen Eingriffe Mehrings
in ihren Artikel begründete Rosa Luxemburg u.a. mit den
Worten: »Es handelt sich hier nicht etwa um journalistische
Eitelkeit oder gekränkte Eigenliebe, sondern um die
elementarsten Gebote der schriftstellerischen
Selbstachtung.«
(ots/jW)
(ots/jW)
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