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Aus: Ausgabe vom 02.06.2010, Seite 12 / Feuilleton

MRR 90

Jeder Deutsche, der eine Uniform trug und eine Waffe hatte, konnte mit einem Juden tun, was er wollte«, schrieb Marcel Reich-Ranicki 1999 in seiner Autobiographie »Mein Leben«. Er wurde 1938 von Berlin nach Polen deportiert und ab 1940 im Warschauer Getto eingesperrt, wo er sich der jüdischen Kampforganisation gegen die Nazis anschloß. 1943 konnte er zusammen mit seiner Frau Tosia fliehen und im Untergrund die Nazis überleben. Später wurde er wegen »ideologischer Fremdheit« aus der Kommunistischen Partei Polens ebenso ausgeschlossen wie vom polnischen Auslandsgeheimdienst suspendiert. Noch später wurde er der konservative Papst der bundesdeutschen Literaturkritik, der vorrangig von beleidigten Schriftstellern und solchen, die es werden wollen, angefeindet wurde. Meistens hatte er recht. Heute wird er 90 Jahre, womit er niemals gerechnet habe, wie er in der aktuellen Zeit feststellt. (jW)

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