Kohl: Kein Grund zur Regierungsumbildung
Bundeskanzler Helmut Kohl hat die vom Koalitionspartner CSU geforderte Umbildung des Bundeskabinetts abgelehnt. In einem Interview der Bild-Zeitung erklärte der Kanzler, es gebe »überhaupt keinen Grund«, die Regierungsmannschaft zu verändern. Äußerst ungehalten zeigte sich Kohl über die vom CSU-Vorsitzenden und Finanzminister Theodor Waigel ausgelöste Personaldebatte und verwies auf die ihm von der Verfassung zugewiesene Entscheidungsgewalt auch in Personalfragen.
Kohl erinnerte an die Absprache in der Koalition, das von der CSU geführte Postministerium Ende des Jahres aufzulösen. Dies sei eine zu Beginn der Legislaturperiode »verabredete Veränderung, aber keine Kabinettsumbildung«. Kohl sagte, er gehe davon aus, »daß Theo Waigel als Finanzminister weiter in der Schlacht steht«.
Am Montag hatte der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine auf einer Pressekonferenz in Bonn dem Bundeskanzler und den Koalitionsparteien Zerstrittenheit und Konzeptionslosigkeit vorgehalten und einen politischen Neuanfang in der BRD gefordert. Lafontaine sprach von »politischer Selbstblockade« des Regierungsbündnisses und sagte, Kohl sei nicht mehr in der Lage, eine Kurskorrektur herbeizuführen. »Immer mehr Wähler und immer mehr Koalitionspolitiker bezweifeln, daß Helmut Kohl der richtige Mann dafür ist, den notwendigen politischen Neuanfang herbeizuführen.«
Der Bundesvorstandssprecher der Grünen, Jürgen Trittin, hat Neuwahlen wegen der Kabinettskrise gefordert. Trittin sagte am Montag in Bonn, nach der Forderung von Bundesfinanzminister Waigel nach einer Kabinettsumbildung gebe es nur einen Ausweg: Die Koalition müsse das Volk entscheiden lassen. In der Koalition seien nicht die Rollen falsch besetzt, erklärte er. Es werde das falsche Stück gespielt.
Als Sprecher einer Oppositionspartei bleibe ihm aber das Lachen angesichts der Massenarbeitslosigkeit im Hals stecken, sagte Trittin. Die Arbeitslosen hätten es nicht verdient, daß die verbleibenden 13 Monate bis zur Bundestagswahl nichts mehr passiere. Über kürzere Arbeitszeiten und Teilzeitjobs müsse die Arbeit neu verteilt werden. So lange die Koalition nur Reiche reicher und die öffentliche Hand ärmer machen wolle, müsse eine solche Steuerreform blockiert werden.
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