Aus: Ausgabe vom 27.07.2010, Seite 12 / Feuilleton
Weinbau in der Nazizeit
Heute abend wird im Weinbaumuseum Hoflößnitz in
Radebeul/Sachsen eine Ausstellung über ein bislang
unterbelichtetes Kapitel in der fast 850jährigen Geschichte
sächsischen Weinbaus eröffnet: Zwangsarbeit in der
Nazizeit. Vor allem sowjetische und französische
Kriegsgefangene seien in den Weinbergen entlang der Elbe
ausgebeutet worden, sagt Museumschefin Bettina Giersberg. Auf dem
Plakat zu einem Weinfest von 1936, das in der Ausstellung zu
besichtigen ist, erklären die Nazis den Wein zum
»Volksgetränk«. Weinberge, die seit der
großen Reblausplage am Ende des 19. Jahrhunderts brach lagen,
wurden wieder »aufgerebt«. Die Anbaufläche
vergrößerte sich nach 1935 um rund 60 auf 180 Hektar.
Zunächst wurden Arbeitslose rekrutiert, nach dem
Kriegsausbruch wurden Zwangsarbeiter »zur Stütze der
Betriebe«, sagt Giersberg. Ende 2009 übernahm sie die
Leitung des Museums und erforschte die blinden Flecken der
Chroniken, suchte Zeitzeugen und trieb Exponate auf, darunter eine
frühere Treppenstufe eines Radebeuler Weinbergs. In den
Sandstein ist »Russkij« in kyrillischen Buchstaben
geritzt, dazu die Jahreszahl 1943. Kritik an dem Projekt hat es
laut Giersberg u.a. aus dem Radebeuler Stadtrat gegeben. Immerhin
hält der Vorstandsvorsitzende des sächsischen
Weinbauverbandes, Winzer Christoph Hesse, das Thema für
»wichtig«, über das er »selbst bis jetzt
nichts gewußt« hat. Die Ausstellung ist ab morgen
täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
(ddp/jW)
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