Antisemitismus, der (m.) Gegen Ende des 19. Jahrhunderts
entstandenes politisches Schlagwort, das Bewegungen und Aktionen
gegen die jüdische Bevölkerung bezeichnet. Anfänge
des A. finden sich im Römischen Reich. Im Mittelalter rief die
Kirche wiederholt zu blutigen Judenverfolgungen auf. Mit der
feudalen Reaktion auf die Französische Revolution von 1789, in
der die Juden die juristische Gleichstellung erreicht hatten, trat
der A. verstärkt hervor. In der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts versuchte die Bourgeoisie, die Arbeiterbewegung mit
Hilfe des A. zu spalten. Seit dem Übergang zum Imperialismus
wurde er vor allem nationalistisch und rassistisch begründet.
In Deutschland knüpfte A. an die Rassenlehren von
Joseph-Arthur Gobineau (1816–1882) und von Houston Stewart
Chamberlain (1855–1927) an. Mit der russischen
Oktoberrevolution 1917 verschmolzen A. und Antikommunismus
(»jüdischer Bolschewismus«). Im deutschen
Faschismus erfuhr der A. seine grausigste und barbarischste
Steigerung. Die im September 1935 verkündeten
»Nürnberger Gesetze« – die vom späteren
Staatssekretär im Bundeskanzleramt Hans Josef Maria Globke
(1898–1973) mit ausgearbeitet worden waren– beseitigten
die bürgerliche Gleichberechtigung. Dem Münchner Abkommen
über die Annexion von Teilen der Tschechoslowakei folgte das
Pogrom vom 9. November 1938. Die Beschlüsse der
»Wannsee-Konferenz« vom 20. Januar 1942
(»Endlösung der Judenfrage«) führten zur
Ausrottung von sechs Millionen europäischer Juden. In der BRD
existierten stets antisemitische Organisationen, in der DDR waren
A. und jede Rassenhetze verboten. Seit 1990 ist deutsche
Staatsdoktrin, daß Sozialismus untrennbar von A. ist.
(asc)
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