Manfred Müllers Urteil-Urteil
Er spricht aus, was die PDS nur der »taz« anvertraut. Als Manfred Müller die Urteile des Bundesverfassungsgerichts gegen DDR-Grenzsoldaten im Herbst 1996 guthieß, verlautete von Wolfgang Gehrcke dort, er fühle sich »immer wieder in eine Solidaritätshaltung gegenüber irgendwelchen alten Generälen hineingezwungen«. Müller läßt sich nicht zwingen.
Der frühere HBV-Vorsitzende von Berlin folgt allein seinem Gewissen und sitzt daher seit 1994 parteilos auf PDS-Ticket für Berlin-Weißensee im Bundestag. Nun drängte es ihn, am Mittwoch der Welt unter der Überschrift »PDS sollte Strafwürdigkeit des Politbüros anerkennen« mitzuteilen, daß »nichts an der rechtlich nachweisbaren Schuld« des Gremiums zu ändern sei. Nun wird zwar genau diese Nachweisbarkeit mit juristischen Argumenten, nicht nur politischen, in Frage gestellt - Rechtswissenschaftler Uwe Wesel nannte die Urteilskonstruktion »abenteuerlich« -, aber Manfred Müller kann das nicht anfechten. Er ist »betroffen«, d. h. argumentations- und gedankenfrei, erfüllt also die zweite Voraussetzung für eine steile Nach-1989-Karriere. Die erste ist Mithilfe oder wenigstens Jubel beim Einknasten des Politbüros, womit die Führung der PDS seinerzeit daher auch anfing. Am Abend nach den Urteilen bekannte Frau Birthler, die Mutter aller Betroffenheit, sie habe einfach »ein gutes Gefühl«. Manfred Müller sollte sich ihr anschließen und sich schlicht wohlfühlen, anstatt die PDS zum Farbe-Bekennen zu nötigen. Das gesunde Volksempfinden war bei der Verfolgung von Sozialisten und Kommunisten schon öfter deutsche Rechtsgrundlage. Man muß es heute nicht gleich in Paragraphen festhalten wie in den 30er Jahren. Ist doch ein Fortschritt.
(jW)
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