Plavsic vom Parlament »entmachtet«
Das serbisch-bosnische Parlament in Pale hat Präsidentin Biljana Plavsic am Dienstag abend den Oberbefehl über die Armee entzogen. Die Abgeordneten übertrugen einer Stellungnahme zufolge die Vollmachten einem kollegialen Gremium. An der Sitzung in Jahorina bei Pale nahmen 45 der 83 Parlamentarier teil. Sie stimmten nach Angaben der Nachrichtenagentur Tanjug zugleich einer Regierungsumbildung zu. Danach wurde der von Plavsic entlassene Innenminister Dragan Kijac zum Vize- Regierungschef mit besonderer Verantwortung für die Innenpolitik ernannt. Der Plavsic-treue bisherige Vize- Regierungschef Ostoja Kremenovic wurde entlassen.
Um Plavsic den Oberbefehl über die Armee zu entziehen, änderten die Abgeordneten die Gesetze zur Verteidigung und über die Armee. Laut Verfassung der serbischen Republik in Bosnien hat die Präsidentin allein den Oberbefehl. Am Dienstag war ihr Versuch mißlungen, die Streitkräfte auf ihre Seite zu ziehen. Zu einem von ihr anberaumten Treffen in Banja Luka erschien nur ein Teil der Armeespitze. Plavsic rief die Militärs noch einmal dringend auf, zum Zeichen ihrer Loyalität der Einladung Folge zu leisten. Vor allem Generalstabschef Pero Colic blieb aber der Unterredung fern. Colic hatte am Freitag offen Partei für die gewählten Organe der Republik ergriffen.
Neben der Benennung des Plavsic-Gegners Kijac zum Vize-Regierungschef ernannten die Abgeordneten neue Minister für die Ressorts Inneres, Flüchtlinge, Finanzen, Kultur und Außenhandel. Plavsic hatte Anfang Juli das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angekündigt. Das Verfassungsgericht entschied, Plavsic habe kein Recht zur Parlamentsauflösung gehabt, diese sei damit nichtig. Dies wiederum wurde von der Präsidentin nicht anerkannt.
Das Parlament sprach sich außerdem für eine zeitliche Verlegung der Kommunalwahlen in Bosnien und dafür aus, die Wahlen gleichzeitig mit den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Serbischen Republik abzuhalten. Dies hatte zuvor auch der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic gefordert und damit Stellung gegen Plavsic bezogen. Zudem bezeichneten die 45 Parlamentarier eine Zusicherung Plavsics an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als nichtig, die für den 13. und 14. September vorgesehenen Kommunalwahlen zu organisieren und zu überwachen.
Die 45 Abgeordneten beauftragten die Regierung, die Polizei und die Staatssicherheit der Republik, innerhalb von 24 Stunden einen Aktionsplan vorzulegen, der die verfassungsmäßige Ordnung verteidige. Plavsics Getreue sollten zudem die Rundfunksender wieder freigeben, die sie unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Sollte dies nicht innerhalb von drei Tagen geschehen, fordern die Abgeordneten Generalstaatsanwalt und Innenminister dazu auf, von ihren rechtlichen Möglichkeiten gegen die Plavsic- Anhänger Gebrauch zu machen.
(jW/AFP)
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