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Aus: Ausgabe vom 28.08.1997 / Ausland

Offener Konflikt in französischer Regierung

Grüne warnen vor Vertrauenskrise über Einwanderungsgesetz

In Frankreich hat die geplante Neufassung der Einwanderungsgesetze für den ersten offenen Konflikt innerhalb der neuen Linksregierung gesorgt. Die Grünen warnten den sozialistischen Premierminister Lionel Jospin am Dienstag abend in Paris vor einer »schweren Vertrauenskrise« in der Koalition, falls die umstrittenen Regelungen der rechtsbürgerlichen Vorgängerregierung nicht restlos aufgehoben würden. In einem vorläufigen Gesetzentwurf des Innenministeriums, der innerhalb der Regierung noch abgestimmt werden muß, ist dies entgegen der Ankündigungen im Wahlkampf nicht der Fall. Die Nationalversammlung will die Reform im Herbst verabschieden. Die seit Juni amtierende Regierung Jospin wird von Sozialisten und Grünen gemeinsam mit Kommunisten und zwei kleineren Linksparteien getragen.

Jospin will sich bei der Reform der Einwanderungsgesetze auf die Vorschläge einer Expertenkommission stützen, die seit Ende Juli auf dem Tisch sind. Danach sollen unter anderem die Kinder ausländischer Eltern, die in Frankreich geboren wurden, mit 18 Jahren wieder automatisch die französische Staatsangehörigkeit erhalten. Zugleich werden aber auch schärfere Maßnahmen gegen illegale Einwanderer empfohlen. Beim Einwanderungsrecht sei eine »realistische und respektvolle Sichtweise« das Ziel, sagte der Sozialistenchef am Dienstag abend in einer kurzen Stellungnahme. Den Kritikern empfahl Jospin, die Vorschläge seiner Partei »extrem genau zu lesen«. Die sozialistische Parteijugend hielt ihm allerdings ebenfalls vor, die im Wahlkampf versprochene Abschaffung der bestehenden Gesetze nicht einhalten zu wollen.

Bei dem Streit geht es unter anderem um die umstrittene An- und Abmeldebescheinigung für Franzosen, die Ausländer aus Ländern der Dritten Welt beherbergen. Das Innenministerium hat noch nicht entschieden, ob diese Vorschrift ganz abgeschafft oder durch eine andere Regelung ersetzt wird. Außerdem sollen illegale Einwanderer schneller abgeschoben werden können. Das französische Einwanderungsrecht wurde in den vergangenen Jahrzehnten bereits mehr als zwei Dutzend Male geändert. Die mittlerweile abgewählte rechtsbürgerliche Regierung hatte es verschärft.

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