Aus: Ausgabe vom 02.11.2010, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Lesetip: Flickenteppich Mindestlohn
Der Niedriglohnsektor hat sich in Deutschland in den vergangenen
anderthalb Jahrzehnten deutlich ausgeweitet. Tarifexperte Reinhard
Bispinck vom Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut der
Hans-Böckler-Stiftung (WSI) legt im aktuellen WSI-Report eine
Bestandsaufnahme dieser Entwicklung und der bislang von den
Gewerkschaften ergriffenen Gegenmaßnahmen vor.
Gemessen an der üblichen Niedriglohndefinition von zwei Dritteln des mittleren Lohnes (Median) arbeiten derzeit knapp 21 Prozent der abhängig Beschäftigten im Niedriglohnsektor.
2006 hatten die DGB-Gewerkschaften eine Kampagne für einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro gestartet, im Mai dieses Jahres erhöhten die sie die Forderung auf 8,50 Euro. Durchsetzen konnten sie bislang im wesentlichen eine Reihe von branchenbezogenen Mindestlöhnen auf Basis des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, teilweise auch von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen nach dem Tarifvertragsgesetz. Allerdings schreiben die Mindestlohntarifverträge oft Vergütungen fest, »die zum Teil weit unter dem Grenzwert von 8,50 bzw. 7,50 Euro« liegen, schreibt Bispinck.
Die WSI-Untersuchung belegt, daß mehr als 5,83 Millionen Beschäftigte weniger verdienen als 8,50 Euro in der Stunde. Neben ausgeprägten Problembranchen gebe es auch Niedriglohngruppen in vielen »unverdächtigen« Bereichen mit gemischter Lohnstruktur, betont Bispinck. Dies sei auch, aber nicht nur, ein Ostproblem.
Die Schutzwirkung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach dem Tarifvertragsgesetz ist der Studie zufolge seit Jahren rückläufig: Zurzeit seien lediglich die Tarifvergütungen in einzelnen regionalen Bereichen von drei Branchen allgemeinverbindlich erklärt. Zugenommen habe dagegen der Stellenwert des Arbeitnehmerentsendegesetzes. Zurzeit regelt es allgemeinverbindliche Mindestlöhne in neun Branchen, für drei weitere liegen die Mindestlohn-Tarifverträge vor, es fehlt aber noch die erforderliche Rechtsverordnung des Bundesarbeitsministeriums.
Die große Mehrheit der Betriebsräte unterstützt die gewerkschaftlichen Forderungen nach einer Regulierung des Niedriglohnsektors: Der Studie zufolge befürworten 83 Prozent eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Vergütungstarifverträge in ihrer Branche. Einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn befürworten sogar 89 Prozent. Sie schlagen einen Mindestlohn in Höhe von durchschnittlich 9,30 Euro vor. (jW)
www.boeckler.de
Gemessen an der üblichen Niedriglohndefinition von zwei Dritteln des mittleren Lohnes (Median) arbeiten derzeit knapp 21 Prozent der abhängig Beschäftigten im Niedriglohnsektor.
2006 hatten die DGB-Gewerkschaften eine Kampagne für einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro gestartet, im Mai dieses Jahres erhöhten die sie die Forderung auf 8,50 Euro. Durchsetzen konnten sie bislang im wesentlichen eine Reihe von branchenbezogenen Mindestlöhnen auf Basis des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, teilweise auch von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen nach dem Tarifvertragsgesetz. Allerdings schreiben die Mindestlohntarifverträge oft Vergütungen fest, »die zum Teil weit unter dem Grenzwert von 8,50 bzw. 7,50 Euro« liegen, schreibt Bispinck.
Die WSI-Untersuchung belegt, daß mehr als 5,83 Millionen Beschäftigte weniger verdienen als 8,50 Euro in der Stunde. Neben ausgeprägten Problembranchen gebe es auch Niedriglohngruppen in vielen »unverdächtigen« Bereichen mit gemischter Lohnstruktur, betont Bispinck. Dies sei auch, aber nicht nur, ein Ostproblem.
Die Schutzwirkung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach dem Tarifvertragsgesetz ist der Studie zufolge seit Jahren rückläufig: Zurzeit seien lediglich die Tarifvergütungen in einzelnen regionalen Bereichen von drei Branchen allgemeinverbindlich erklärt. Zugenommen habe dagegen der Stellenwert des Arbeitnehmerentsendegesetzes. Zurzeit regelt es allgemeinverbindliche Mindestlöhne in neun Branchen, für drei weitere liegen die Mindestlohn-Tarifverträge vor, es fehlt aber noch die erforderliche Rechtsverordnung des Bundesarbeitsministeriums.
Die große Mehrheit der Betriebsräte unterstützt die gewerkschaftlichen Forderungen nach einer Regulierung des Niedriglohnsektors: Der Studie zufolge befürworten 83 Prozent eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Vergütungstarifverträge in ihrer Branche. Einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn befürworten sogar 89 Prozent. Sie schlagen einen Mindestlohn in Höhe von durchschnittlich 9,30 Euro vor. (jW)
Bispinck, Reinhard: Niedriglöhne und der Flickenteppich von (unzureichenden) Mindestlöhnen in Deutschland. WSI-Report, Nr. 4, Oktober 2010
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