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Aus: Ausgabe vom 09.11.2010, Seite 3 / Schwerpunkt

»Die NATO muß aufgelöst werden«

Auszüge aus dem Impulsreferat »Frieden schaffen ohne Waffen« von Sevim Dagdelen auf dem Linke-Programmkonvent in Hannover:

Die Friedenspolitik im Programm für einen demokratischen Sozialismus muß im Zusammenhang mit dem restlichen Programm stehen. Friedenspolitik ist ein Querschnittsthema. Sie läßt sich nicht gesondert vom übrigen Programm behandeln. Die Positionen zur Wirtschaftspolitik, zur Demokratisierung und Zurückdrängung der Macht des Kapitals sind Schritte hin zu einer friedlicheren Gesellschaft und zu einer friedlicheren Weltordnung. Während die Beschreibungen der Auswüchse von Kapitalismus und Neoliberalismus in Deutschland und Europa zutreffend sind, bleibt deren Betrachtung im globalen Maßstab mangelhaft. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Kapitalismus, militarisierter Außen- und Sicherheitspolitik, der hieraus entstehenden Armut, Ohnmacht und Perspektivlosigkeit und den daraus entstehenden Kriegen und Konflikten bleibt ausgeblendet. (...)

Die Linke lehnt Kriege und Gewalt als Mittel der Politik ab. Das unterscheidet Die Linke im wesentlichen von allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Im Programmentwurf heißt es: »Wir fordern ein sofortiges Ende aller Kampfeinsätze der Bundeswehr. Dazu gehören auch deutsche Beteiligungen an UN-mandatierten Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta.« Weiter: »Statt Aufrüstung, militärischer Auslandseinsätze und EU-NATO-Partnerschaft ist eine Umkehr zu einer friedlichen Außen- und Sicherheitspolitik notwendig, die sich strikt an das in der UN-Charta fixierte Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen hält.«

Diese beiden Positionen bestätigen den Kern der bisherigen friedenspolitischen Grundlagen der Linken. Es ist aber sinnvoll, einen Schritt weiter zu gehen. Eine deutsche Beteiligung an Kapitel-VI-Einsätzen ist äußerst problematisch. Bis hinein in die 90er Jahre galt in der UNO der ungeschriebene Grundsatz, daß sich Groß- und Mittelmächte sowie einflußreiche Mitglieder von Militärbündnissen nicht an sogenannten friedenserhaltenen Missionen beteiligen sollten. Als zu groß wurde die Gefahr angesehen, daß eine Entsendung auch nur einer symbolischen Kontingentgröße dazu mißbraucht würde, um eigene Interessen mit zu befördern und damit die Mission als Ganzes zu gefährden. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde diese Maxime leider ad acta gelegt. Insbesondere auf Drängen der USA, aber auch Deutschlands. Ich denke, daß dieses ungeschriebene Gesetz weiterhin gelten sollte. (...)

Aktuell wird die Bundeswehr in eine Interventionsarmee umgewandelt. Ziel der Linken muß ein Zurück zum Grundgesetz sein. Als ersten Schritt die Bundeswehr nur zur Landesverteidigung und dann gemäß dem Grundgesetz von 1949 abbauen. D. h.zuerst diejenigen Teile der Bundeswehr abrüsten, mit denen Krieg geführt werden kann und wird. Also: Auflösung der Kommandospezialkräfte, des Einsatzführungskommandos, des Gefechtsübungszentrums, der Division Spezialoperationen und aller Einsatzkräfte der Marine und Luftwaffe. Zentral ist die Beendigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr – insbesondere in Afghanistan.

Polizei- und Militärhilfe für Drittstaaten greift massiv in die Machtverhältnisse innerhalb dieser Gesellschaften ein. Entweder sie stärkt die Regierung gegen Proteste und Rebellionen oder sie stärkt Sezessionisten oder einzelne bewaffnete Machteliten. Polizei- und Militärhilfe entwickelt sich zunehmend zum zentralen Konzept für militärische Besatzungen, den Eingriff in Bürgerkriege von außen und damit zum Kernkonzept sicherheitspolitischen Krisenmanagements im Kontext einer neoliberalen Weltordnung. Sie entzieht sich demokratischer Kontrolle und birgt starke Tendenzen zur Privatisierung von Sicherheitspolitik. Die Linke sollte dieses Konzept kategorisch ablehnen. Die jüngste Entscheidung des sozialdemokratischen Innenministers in Brandenburg, keine Polizisten mehr in den Krieg nach Afghanistan schicken zu wollen, ist wegweisend. (…) Die Linke muß Polizei- und Militärhilfen in Konfliktgebieten ablehnen.

Die NATO hat ihre Existenzberechtigung spätestens nach 1989 verloren und ist zu einem aggressiven Kriegsführungsbündnis geworden. Zu Recht wird sie in weiten Teilen der Welt als Bedrohung und Anlaß für Aufrüstung wahrgenommen. Sie bedroht bis heute die gesamte Welt mit atomarer Vernichtung. Die NATO gehört aufgelöst. Als Schritt hierzu muß die EU jede Kooperation mit der NATO einstellen. So würde die EU nicht mehr in der Lage sein, sich an Angriffskriegen zu beteiligen. Zur Auflösung der NATO könnte ein Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen der NATO beitragen. (...)

Grundlage einer umfassenden Friedenspolitik nach außen sowie nach innen sollte anlehnend an den Beschluß vom Cottbusser Parteitag im Grundsatzprogramm ausgefeilter sein und heißen: Die Linke lehnt jegliche Bundeswehreinsätze im In- und Ausland ab. Dies muß sich als Haltelinie, d.h. in den Mindestbedingungen für die Regierungsbeteiligung im Bund wiederfinden. (…) Zudem kann und sollte Die Linke auch Kriegsbeteiligungen auf Ebene der Länder – etwa mit der Entsendung von Polizistinnen und Polizisten zur Flankierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr – eine Absage erteilen. Nur dann kann Die Linke weiterhin überzeugend und glaubwürdig werben für das Projekt einer umfassenden friedenspolitischen Umgestaltung der Gesellschaft.

www.sevimdagdelen.de

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