Aus: Ausgabe vom 15.01.2011, Seite 16 / Aktion
Ideal des Profits
Von Dietmar KoschmiederErstaunlich ist eher der Antikommunismus, der aus bisher linksliberal verorteten Medien schwappt. Christian Bommarius zum Beispiel hat den Lötzsch-Artikel gelesen und sich sogar die Mühe gemacht, die Rosa-Luxemburg-Konferenz zu besuchen. Was er in der Frankfurter Rundschau (und in gekürzter Form in der Berliner Zeitung) am 11.Januar zum besten gibt, schreibt er deshalb wider besseren Wissens: »Am vergangenen Wochenende haben rote Faschisten sich in Berlin zur Diskussion getroffen«, schätzt er ein. Mobilisiert wird für diese Veranstaltung von Gewerkschaftern, Freidenkern, Medien und Vereinen, Solidaritätsgruppen und sozialen Bewegungen. Sie kommen aus Ost und West, sind jung und alt, arme Schlucker und vermögend. Sie alle eint die Erkenntnis, daß der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte ist. Höchstens das Ende der Menschheit, wenn es nicht gelingt, eine Alternative zu etablieren. Genau darüber wurde auf dieser Konferenz nachgedacht. Und dazu wurden Gäste eingeladen wie der Publizist Moshe Zuckermann, der grüne Linke Gaspár Miklos Támás, führende Gewerkschafter aus Griechenland und Irland und ein venezolanischer Botschafter. Alle rote Faschisten?
Mariam Lau besuchte im Auftrag der Wochenzeitung Die Zeit ebenfalls die XVI.Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz. In der Ausgabe vom 13.Januar kämpft sie für einen konsequenten Antikommunismus. Die Konferenz wird als »Kommunismus-Messe« beschrieben, die Partei Die Linke als Großexperiment, das wegen Unaufrichtigkeit, Sektierertum, Selbstekel gescheitert sei, Gesine Lötzsch habe den Kommunismus ausgerufen. Frau Lau geht aber noch einen Schritt weiter: Die sogenannten Reformer der Linkspartei seien keinen Deut besser als Frau Lötzsch. Als Beleg muß Jan Korte herhalten, obwohl er einer der ersten war, der sich von Frau Lötzsch distanziert hat. In seinem Buch »Instrument Antikommunismus« habe er geschrieben, daß man antikommunistische Ideologie nur von einem unzweifelhaft antistalinistischen Standpunkt zurückweisen könne. »Aber zurückweisen muß man sie. Das steht auch für Reformer fest«, klagt Frau Lau in der Zeit an.
Frau Lau legt damit offen, daß es keineswegs um einen konsequent antistalinistischen Standpunkt geht, sondern um puren Antikommunismus. Die Opfer des sogenannten Stalinismus interessieren nicht wirklich. Das größte Verbrechen der Sowjetunion – und der DDR – ist keineswegs das, was den gezählten und ungezählten Opfern angetan wurde. In Wirklichkeit interessieren die bürgerlichen Medien diese genausowenig wie die Opfer des Kapitalismus, seien es Opfer vieler Militärinterventionen oder Millionen von Hungertoten und anderer Opfer der verheerenden Profitgier bis heute. Die Sowjetunion und die DDR haben gemeinsam mit den anderen sozialistischen Ländern die freie Entfaltung des Kapitalismus behindert, das war ihr größtes Verbrechen, und das wird ihnen bis heute nicht verziehen. Da aber jede Entwicklung hin zu einer sozialistischen oder gar kommunistischen Zukunft nicht funktionieren kann, ohne die Profitlogik als bestimmendes Element der gesellschaftlichen Entwicklung einzuschränken und zu brechen, sind kommunistische und sozialistische Gedanken so verdächtig. Vor allem wenn in der Bevölkerung die Erkenntnis wächst, daß der Kapitalismus keine Zukunft hat.
Das erkennen auch bürgerliche Kräfte immer mehr. Das Nachdenken über die Zukunft nach dem Kapitalismus war noch nie Privileg von Kommunisten und Sozialisten. Thomas Mann formulierte das 1949 folgendermaßen: »Vor der zügellosen Hysterie, in die ein Wort- und Wut-Fetisch wie Kommunismus heute die Menschen versetzt, ist mir schon oft ein Grauen gekommen (...) Der Antikommunismus als moralisches Agitationsmittel gegen die Machtkombination, mit der Rußland die Zusammenfasssung von zwei Dritteln der Hilfsmittel der Erde unter amerikanischer Führung zu parieren versucht, ist innerlich kraftlos, solange er kein Interesse zeigt an der Änderung einer Weltordnung, unter der tausend Millionen Menschen Hunger leiden. Der Kommunismus macht sich anheischig, dieser durch nichts mehr zu entschuldigenden Weltordnung abzuhelfen. Solange die bürgerliche Welt der kommunistischen Verheißung nichts anderes entgegenzustellen hat als das Ideal des Profits und free enterprise in möglichst vielen Ländern, solange wird es schlecht um unsere Aussichten stehen, den Kommunismus aus der Welt zu schaffen.« (Thomas Mann, »J’accuse«, 1949
Mariam Lau, Zeit: www.zeit.de/2011/03/Linkspartei-Kommunismus
Christian Bommarius, Frankfurter Rundschau: www.fr-online.de/politik/meinung/seltsame-gesellschaft-in-der-urania/-/1472602/5199084/-/index.html
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 15.01.2011
Die Sache mit dem Kommunismus
- 15.01.2011
Griff in die Mottenkiste
- 06.01.2011
Ein Gespenst geht um