Aus: Ausgabe vom 12.03.2011, Seite 3 / Schwerpunkt
Hintergrund: Islam und Europa
Die Ablehnung von Einwanderern und Muslimen ist einer Studie
zufolge in Europa weit verbreitet. Rund die Hälfte aller
Befragten in acht europäischen Ländern (Deutschland,
Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Italien,
Portugal, Polen und Ungarn) ist der Ansicht, es gebe zu viele
Zuwanderer in ihrem Land, wie die von der SPD-nahen
Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) am Freitag in Berlin
präsentierte Erhebung ergab. Etwa die Hälfte wünscht
sich demnach sogar ein Arbeitsplatzvorrecht für
»Einheimische« in Krisenzeiten. Laut Studie verurteilt
rund die Hälfte der Befragten den Islam »pauschal als
eine Religion der Intoleranz«. Allerdings sehen 70
Prozent Einwanderer auch als Bereicherung für die eigene
Kultur.
»Daß aber der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen läßt.« So sprach Hans-Peter Friedrich (CSU) unmittelbar nach seiner Amtseinführung am 3. März. Die Äußerung ist nicht nur politisch fatal, sondern auch historisch falsch. Darauf wies dieser Tage der Berliner Kirchenhistoriker Christoph Markschies hin. Der Islam habe seit dem Mittelalter und bis heute die Entwicklung Europas auf verschiedenen Gebieten beeinflußt. »Der griechische Philosoph Aristoteles wurde der abendländischen Tradition durch seine arabische Rezeption zurückgegeben, Mozarts Opern sind ohne die Musik der Janitscharen nicht denkbar, und einige der schönsten Gedichte Goethes sind freie Bearbeitungen arabischer Poesie«, so Markschies. Seit dem 18.Jahrhundert werde die Präsenz des Islam immer sichtbarer, wovon historische Moscheebauten wie etwa im Schloßpark von Schwetzingen (1779) oder die Einrichtung muslimischer Gräberfelder (in Berlin seit 1798) zeuge. Aber auch militärische Konflikte mit der muslimischen Welt, wie in Form der Kreuzzüge, der Türkenfeldzüge im 17. Jahrhundert oder des Streits um die Vorherrschaft im Mittelmeer, hätten ihre Wirkungen auf Europa gehabt. In Spanien sei dies eindeutig. »Bei uns war der Einfluß deutlich geringer, aber doch vorhanden. Man kann ihn freilich verdrängen oder übersehen«, so Markschies. Soweit eine Meldung des Evangelischen Pressedienstes vom 9.März 2011.
Friedrich scheint sich zum Verdrängen und Übersehen entschlossen zu haben – vielleicht weil Goethe niemals bis Bayern kam und CSU-Wähler in München bei »Aristoteles« eher an das gleichnamige griechische Restaurant denken. Allerdings werden auch in Bayern Wahlergebnisse und das Volumen von Maßkrügen in arabischen (!) Zahlen ausgedrückt. Daß es in der preußischen Armee schon im 18. Jahrhundert muslimische Soldaten (mit voller Glaubensfreiheit) gab, dürfte allerdings in Bayern komplexe antipreußisch-antimuslimische Abwehrreflexe auslösen. (epd/AFP/uj)
»Daß aber der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen läßt.« So sprach Hans-Peter Friedrich (CSU) unmittelbar nach seiner Amtseinführung am 3. März. Die Äußerung ist nicht nur politisch fatal, sondern auch historisch falsch. Darauf wies dieser Tage der Berliner Kirchenhistoriker Christoph Markschies hin. Der Islam habe seit dem Mittelalter und bis heute die Entwicklung Europas auf verschiedenen Gebieten beeinflußt. »Der griechische Philosoph Aristoteles wurde der abendländischen Tradition durch seine arabische Rezeption zurückgegeben, Mozarts Opern sind ohne die Musik der Janitscharen nicht denkbar, und einige der schönsten Gedichte Goethes sind freie Bearbeitungen arabischer Poesie«, so Markschies. Seit dem 18.Jahrhundert werde die Präsenz des Islam immer sichtbarer, wovon historische Moscheebauten wie etwa im Schloßpark von Schwetzingen (1779) oder die Einrichtung muslimischer Gräberfelder (in Berlin seit 1798) zeuge. Aber auch militärische Konflikte mit der muslimischen Welt, wie in Form der Kreuzzüge, der Türkenfeldzüge im 17. Jahrhundert oder des Streits um die Vorherrschaft im Mittelmeer, hätten ihre Wirkungen auf Europa gehabt. In Spanien sei dies eindeutig. »Bei uns war der Einfluß deutlich geringer, aber doch vorhanden. Man kann ihn freilich verdrängen oder übersehen«, so Markschies. Soweit eine Meldung des Evangelischen Pressedienstes vom 9.März 2011.
Friedrich scheint sich zum Verdrängen und Übersehen entschlossen zu haben – vielleicht weil Goethe niemals bis Bayern kam und CSU-Wähler in München bei »Aristoteles« eher an das gleichnamige griechische Restaurant denken. Allerdings werden auch in Bayern Wahlergebnisse und das Volumen von Maßkrügen in arabischen (!) Zahlen ausgedrückt. Daß es in der preußischen Armee schon im 18. Jahrhundert muslimische Soldaten (mit voller Glaubensfreiheit) gab, dürfte allerdings in Bayern komplexe antipreußisch-antimuslimische Abwehrreflexe auslösen. (epd/AFP/uj)
Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Peter Schiller: Moslems in der Waffen-SS Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass auch die Waffen-SS Moslems rekrutiert hat (SS-Division Handzar). Dies geschah mit Hilfe von Amin Al-Husaini, dem Mufti von Jerusalem. Nach 1945 s...
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