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Aus: Ausgabe vom 09.09.1997 / Ausland

Andreas Hippin

Japan: Die Liberaldemokraten werden auch künftig mit absoluter Mehrheit regieren

Ohne großes Aufsehen ging in Japan am letzten Freitag die 1993 eingeläutete Ära der Reformen endgültig zu Ende. Kitamura Naoto, ein Abgeordneter der »Neuen Fortschrittspartei« (NFP) aus Hokkaido, verschaffte den regierenden Liberaldemokraten (LDP) durch seine Rückkehr in die Mutterpartei erneut die absolute Mehrheit im Unterhaus. Vor 50 Monaten stürzten reformorientierte Teile der Partei die Regierung Miyazawa und verließen die LDP. Die Reformer gründeten zahlreiche kleine konservative Parteien, die schließlich größtenteils in der NFP Ozawa Ichiros aufgingen. Das »55er-System«, wie die über 40jährige Einparteienherrschaft der LDP genannt wurde, war zusammengebrochen. Reformen schien nichts mehr im Wege zu stehen. In den Elfenbeintürmen der politischen Wissenschaften wurde vom Entstehen eines Zweiparteiensystems geträumt.

Zahlreiche wackelige Koalitionsregierungen später ist heute von einer Reform des politischen Systems nicht mehr die Rede. Seitdem die LDP bei den Wahlen im Oktober 1996 mit 239 Sitzen die absolute Mehrheit im 500 Abgeordnete zählenden Unterhaus knapp verfehlte, fanden bereits acht andere NFP- Abgeordnete den Weg zurück, zwei weitere Überläufer aus anderen Parteien und die Stimme des Vorsitzenden des Unterhauses Ito Soichiro machen die Mehrheit komplett. Lediglich im wenig bedeutsamen Oberhaus fehlt der LDP die absolute Mehrheit - sie hält dort 113 von 252 Sitzen - allerdings ist diese für die Rückkehr zur »Einparteiendemokratie« nicht unbedingt erforderlich. Die Abwerbungserfolge werden dem Generalsekretär der LDP, Kato Koichi, zugeschrieben. Kato gehört einer gemäßigten Parteigruppierung an, die eine künftige Koalition mit der NFP ausschließt und den bisherigen Kurs fortsetzen will.

Rechte Parteimitglieder um den 80jährigen Ex-Premier Nakasone Yasuhiro favorisieren im Gegensatz zur Gruppe um Kato eine Koalition mit der NFP des »verlorenen Sohns« Ozawa, nicht zuletzt, um das militärische Gewicht Japans in Ostasien vergrößern zu können. Das würde die Ereignisse von 1993 vollends ungeschehen machen, hoffen die LDP-Paten alten Typs.

Solchen Vorhaben stehen die Ex-Sozialisten, auf die Kato nach wie vor zählt, völlig ablehnend gegenüber. Rücktrittsdrohungen des amtierenden Kabinettssekretärs Kajiyama Seiroku, der zur Parteirechten zählt, sollen Kato unter Druck setzen, ebenfalls seinen Rücktritt anzubieten, glaubt der Economist. Das würde die Partei aber zahlreiche Stimmen aus der politischen Mitte kosten.

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