Wachablösung in Hongkong
Nach über 150 Jahren britischer Kolonialherrschaft haben am Montag erstmals wieder chinesische Soldaten den Boden von Hongkong betreten. In der Wirtschaftsmetropole trafen rund 40 unbewaffnete Angehörige einer Vorhut der Volksbefreiungsarmee ein. Das Vorauskommando soll bis zum 1. Juli 14 Stützpunkte für die rund 10 000 Soldaten vorbereiten, die nach der Übergabe Hongkongs an China am 1. Juli die britischen Soldaten ablösen werden.
Der Voraustrupp wurde vom britischen Kommandeur General Bryan Dutton begrüßt, der die Hoffnung auf eine reibungslose Übergabe auch im Verteidigungsbereich äußerte. Großbritannien werde jede nur mögliche Unterstützung leisten. Der Befehlshaber der Vorhut, General Zhou Borong, äußerte den Wunsch nach einer Vertiefung der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Verständnisses. Die Ankunft des chinesischen Vorauskommandos fiel mit dem 71. Geburtstag von Königin Elizabeth II. zusammen. Zum letzten Mal feuerte im Hafen der Kronkolonie ein britisches Kriegsschiff einen Salut zu Ehren der Monarchin ab.
Die chinesischen Soldaten kamen in einem Autokonvoi aus dem südchinesischen Shenzhen in Hongkong an. In den verbleibenden zehn Wochen bis zur Übergabe werden dort noch weitere Gruppen erwartet, während gleichzeitig die Briten ihre Einheit von jetzt noch rund 1 800 Mann weiter verringern. Die chinesische Garnison wird am Ende etwa die Stärke der britischen Kolonialtruppe vor dem Jahre 1994 haben. China hat zugesagt, Elitesoldaten in Hongkong zu stationieren, die mit örtlichem Recht, Sprache und Gebräuchen vertraut sind. Anders als in der Volksrepublik, in der das Militär auch einen wirtschaftlichen Machtfaktor darstellt, soll ihm in Hongkong eine direkte Rolle in diesem Bereich untersagt bleiben.
Dutton sprach von einem historischen Augenblick für die Streitkräfte beider Länder. Gute Beziehungen zwischen ihnen seien im Interesse der Bürger Hongkongs. Damit gab der General zu verstehen, daß viele Bewohner des Wirtschaftszentrums Furcht vor der Volksbefreiungsarmee hätten und sie mit der Niederschlagung der Bewegung von 1989 in Verbindung brächten.
General Zhou hielt eine kurze Ansprache auf Chinesisch, obwohl er auch fließend Englisch spricht. Hauptaufgabe seiner Einheit sei es, den Weg für die Ankunft des Hauptkontingents zu ebnen.
Am Sonntag hatten mehrere hundert Menschen in Hongkong gegen Pläne Pekings demonstriert, die politischen Freiheiten nach der Übergabe einzuschränken. An der Demonstration nahmen Abgeordnete der Demokratischen Partei und anderer antikommunistischer Gruppierungen, Vertreter von Gewerkschaften und von Menschenrechtsgruppen wie amnesty international teil. Der designierte Verwaltungschef Tung Chee- Hwa will nach eigenen Angaben Demonstrations- und Vereinigungsrechte beschneiden.
AFP/AP/jW
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