Aus: Ausgabe vom 04.11.2011, Seite 3 / Schwerpunkt
Dokumentiert: Rechtliche Sonderzone
»Für die Charakterisierung des vorherrschenden Umgangs mit dem NS-System in der frühen Bundesrepublik, der in vielen Elementen inzwischen umfänglich analysiert ist, fehlt bis heute ein zureichender Begriff. Die vielen Skandalfälle, die sich mit einstigen Repräsentanten des nationalsozialistischen Herrschaftssystems und ihrer späteren Rolle im demokratischen Staat verbinden, werden kaum mit der grundsätzlichen Frage der rechtlichen Struktur der Bundesrepublik im Umgang mit dem NS-System verbunden. Erst diese Frage öffnet den Horizont für die Wahrnehmung einer in sich zusammenhängenden, in der Gesetzgebung der Justiz, der Staatsleitung und der Öffentlichkeit seit den 50er Jahren dominierenden Tendenz, die rechtliche Bewertung der NS-Herrschaft nicht uneingeschränkt an den Kriterien des Grundgesetzes, der unverbrüchlichen Geltung der Grundrechte zu orientieren, sondern die juristische Doktrin des Hitler-Regimes vielfach zu übernehmen. Dadurch bildet sich im demokratischen Rechtsstaat eine Sonderzone heraus, die in bestimmtem Maße der Logik des untergegangenen nationalsozialistischen Rechtsbegriffs folgt.«
Joachim Perels in »Entsorgung der NS-Herrschaft? Konflikte im Umgang mit dem Hitler-Regime«, Offizin Verlag, Hannover 2004
Wenig Raum
»Auch in Lehrbüchern der Rechtsgeschichte wird die NS-Zeit mitunter breit bearbeitet. Der akademische Unterricht läßt aber anscheinend sehr wenig Raum für die grundlegenden Fragen, die der NS an den Umgang mit dem Recht stellt. Ich jedenfalls versuche, in meinen rechtssoziologischen und rechtsphilosophischen Veranstaltungen das Manko zu kompensieren. Wer natürlich stromlinienförmig durch das Studium eilen möchte, wird sich solchen Irritationen nicht aussetzen.«Prof. Hubert Rottleuther, Rechtswissenschafter an der Freien Universität und der Humboldt-Universität Berlin, im Interview der Zeitung des Arbeitskreises kritische Juristen und Juristinnen an der Humboldt-Universität Das Freischüßler, 1/2005
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