Gegründet 1947 Donnerstag, 23. Januar 2025, Nr. 19
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 26.09.1997 / Ausland

Türkische Offensive im Norden Iraks

Bombardierung kurdischer Stellungen in internationaler Zone

Umfangreiche Verbände der türkischen Armee sind am Donnerstag mit Panzern, unterstützt von Flugzeugen und Hubschraubern, in den überwiegend kurdisch bewohnten Nordirak einmarschiert. Das Militär hat damit begonnen, die Region zu bombardieren. Nach Berichten vom Grenzübergang Xabur hat die Demokratische Partei Kurdistans (DPK) Massud Barsanis die türkischen Truppen im Kampf gegen die PKK »zu Hilfe gerufen«.

Türkische Kampfflugzeuge hätten 15 Lager mutmaßlicher kurdischer Rebellen bombardiert, berichtete dagegen die Nachrichtenagentur Anatolia. In den Lagern seien in der jüngsten Vergangenheit rund 1 000 Kämpfer eingetroffen, die sich zuvor in Iran und Syrien versteckt gehalten hätten.

Bereits seit Dienstag sind nach Schätzungen von Journalisten in der südostanatolischen Stadt Diyarbakir etwa 10 000 türkische Soldaten mit Dutzenden Panzern nach Irak eingerückt und in Richtung syrische Grenze vorgestoßen. Der Sprecher des Außenministeriums in Ankara bezeichnete die Operation als »routinemäßig und begrenzt«. Die Rebellen seien dabei, ihre Lager vor Einsetzen des Winters auszubauen. Ankara verfüge über Informationen, denen zufolge »terroristische Elemente« versuchten, sich wieder im Nordirak niederzulassen und Aktionen vorzubereiten.

Zeitungen und ein privater Fernsehsender berichteten von einer türkischen Offensive, in deren Rahmen rund 8 000 Soldaten und 130 Panzer nach Nordirak vorgedrungen seien. Die Soldaten seien nach der letzten großangelegten Operation im Mai in der Grenzregion geblieben, berichtete der türkische Sender NTV am Mittwoch. Die Militäraktion habe am Sonntag mit Unterstützung von Kampfhubschraubern und -flugzeugen begonnen. Eine Stellungnahme des türkischen Militärs liegt bislang nicht vor.

Ein Sprecher der Demokratischen Partei Kurdistans, die das an die Türkei grenzende Gebiet im Norden Iraks kontrolliert, wollte jW gegenüber die Angaben über eine neue Militäroperation nicht bestätigen. Er erklärte jedoch, die türkischen Soldaten hätten das bergige Grenzgebiet seit Mai nicht verlassen.

Der Agentur Anadolu zufolge unterstützte die türkische Armee DPK-Einheiten am Donnerstag im Kampf gegen die PKK. Angaben aus Diyarbakir zufolge wurden viele türkische Soldaten in zivilen Lastwagen mit irakischen Kennzeichen über die Grenze gebracht.

An der Frühjahrsoffensive zwischen Mitte Mai und Ende Juni dieses Jahres waren bis zu 50 000 Soldaten sowie Hunderte Panzer und schwere Artillerie beteiligt. Dabei waren nach türkischen Angaben etwa 3 000 PKK-Kämpfer »ausgeschaltet« worden, mindestens 1 900 von ihnen wurden getötet. Bei dieser Aktion war die türkische Armee erstmals aktiv von DPK-Einheiten unterstützt worden. Ende Juni erklärte das Militär, es habe den Großteil seiner Truppen wieder abgezogen. Ein vollständiger Rückzug wurde jedoch nie gemeldet.

(jW/AP/AFP)