Aus: Ausgabe vom 27.01.2012, Seite 3 / Schwerpunkt
Hintergrund: Libyen bleibt ohne rechtmäßige Führung
Der Libyer Nadschat Al-Moghirbi ist auf seine neue Regierung sauer. »Der Übergangsrat trifft seine Entscheidungen für sich selbst.« Die Mitglieder verkauften am Tag eine Million Faß Öl. Und niemand wisse, wohin die Einnahmen gingen, klagt der Zahnarzt bei einer Demonstration in Bengasi – der Stadt, wo der Aufstand gegen den langjährigen libyschen Staatschef Muammar Al-Ghaddafi im vergangenen Jahr seinen Anfang nahm. »Drei Monate nach dem Tod Ghaddafis sind immer mehr Libyer mit den neuen Machthabern in Tripolis unzufrieden«, berichtet Reuters-Korrespondent Christian Lowe. In Bengasi stürmten aufgebrachte Bürger kürzlich das Büro von Übergangschef Mustafa Abdel Dschalil.
Die Libyer stehen laut Lowe »vor der fast unlösbaren Aufgabe, die Macht in einem Land zu verteilen, in dem sich Stämme, Milizen und andere Interessengruppen mißtrauen und es keine Institutionen gibt, die von den Bürgern anerkannt sind«. Vergleiche zur Lage im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins drängten sich auf, sagt der Nordafrika-Experte Geoff Porter. Die Rechtmäßigkeit der Regierung werde offen angezweifelt. Zwar gebe es in Libyen keine Besatzungsmacht wie im Irak nach der US-Invasion 2003. Auch sei die Ölförderung schnell wieder in Gang gekommen und bringe dem nordafrikanischen Land wichtige Deviseneinnahmen. Doch die neue libysche Führung steht vor einem Dilemma, so Lowe: »Das Land soll mit Wahlen eine rechtmäßige Führung bestimmen. Aber ohne rechtmäßige Führung können die Wahlen nicht organisiert werden.« Egal wie das Wahlrecht gestaltet werde: Am Ende würden sich immer Volksgruppen benachteiligt fühlen. So ist der Stamm der Warfalla in der Überzahl. Aber die einflußreichen Politiker in Tripolis kommen aus den Städten Bengasi, Misrata und Sintan, die entscheidend zum Kampf gegen die libyschen Regierungstruppen beitrugen. Sollte Libyen ein Wahlsystem einführen, in dem jeder Bürger eine gleichberechtigte Stimme erhält, würde der Warfalla-Stamm im Vorteil sein. Zugleich würden wichtige Anti-Ghaddafi-Gruppen das Nachsehen haben. (Reuters/jW)
Die Libyer stehen laut Lowe »vor der fast unlösbaren Aufgabe, die Macht in einem Land zu verteilen, in dem sich Stämme, Milizen und andere Interessengruppen mißtrauen und es keine Institutionen gibt, die von den Bürgern anerkannt sind«. Vergleiche zur Lage im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins drängten sich auf, sagt der Nordafrika-Experte Geoff Porter. Die Rechtmäßigkeit der Regierung werde offen angezweifelt. Zwar gebe es in Libyen keine Besatzungsmacht wie im Irak nach der US-Invasion 2003. Auch sei die Ölförderung schnell wieder in Gang gekommen und bringe dem nordafrikanischen Land wichtige Deviseneinnahmen. Doch die neue libysche Führung steht vor einem Dilemma, so Lowe: »Das Land soll mit Wahlen eine rechtmäßige Führung bestimmen. Aber ohne rechtmäßige Führung können die Wahlen nicht organisiert werden.« Egal wie das Wahlrecht gestaltet werde: Am Ende würden sich immer Volksgruppen benachteiligt fühlen. So ist der Stamm der Warfalla in der Überzahl. Aber die einflußreichen Politiker in Tripolis kommen aus den Städten Bengasi, Misrata und Sintan, die entscheidend zum Kampf gegen die libyschen Regierungstruppen beitrugen. Sollte Libyen ein Wahlsystem einführen, in dem jeder Bürger eine gleichberechtigte Stimme erhält, würde der Warfalla-Stamm im Vorteil sein. Zugleich würden wichtige Anti-Ghaddafi-Gruppen das Nachsehen haben. (Reuters/jW)
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