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Aus: Ausgabe vom 18.04.2012, Seite 13 / Feuilleton

Anliegensart Berlin

Berlin, hör ma uff. Heute beginnt eins dieser Filmfestivals in der Stadt, die allesamt außerhalb der Berlinale laufen und die man kaum noch richtig auf den Schirm kriegt. Aber den Titel kann man sich merken: »achtung berlin«. Offiziell kümmert man sich um »neues deutsches Kino aus Berlin und Brandenburg«, wobei wie so oft die Dokfilme interessanter sind als die Spielfilme. Der symptomatische Festivalfilm heißt »Berlinized – Sexy an Eis« von Lucian Busse und verhandelt die Untergrundkultur der Zu- und Umzieher aus Westdeutschland, Westberlin, Ostdeutschland nach Ostberlin, Techno-City der 1990er. Ein Schulfilm über die Pioniere der Gentrifizierung, läuft am 21.4. im Babylon-Mitte und am 24.4. im Filmtheater Friedrichshain (FaF). Passend dazu gibt die untergegangene Postrockband Mina ein einmaliges Konzert am 21.4. im HBC. Über die hat Spex damals geschrieben: »House- und Techno-Elemente fließen nicht als Zitat ein, sondern als Erfahrungswert«.

Und in der »Leistungsermittlungsstelle« im Neuköllner Jobcenter schiebt eine Sachbearbeiterin ein kleines rotes Kästchen auf ihrem Wandkalender einen Tag weiter. Am Eingang sind Hammer und Sichel an die Wand gesprüht, die Parole heißt »Hartz 4 abschaffen«. Drinnen erzählt ein Vermittler: »Es war mir wichtig, dem Staat zu dienen, mit einer Arbeit, die dynamisch ist, im direkten Kontakt mit Menschen«. Den »Kunden« empfiehlt er, an ihrer »Geisteshaltung zu arbeiten« und – aufgemerkt: »wir geben bei der Behörde nicht die Hand, nur symbolisch«. Allgemein »kommt es auf die Anliegensart des Kunden« an, sagt die Kalenderschieberin. Einer sagt: »Fußball ist nur das zweitschönste auf der Welt, das schönste ist der Arbeitsplatz«. Den haben nur »Die Vermittler« sicher, die Astrid Schult sehr akkurat, in mattem, blauem Licht abgefilmt hat. Läuft am 20.4. in der Passage und 22.4. im Babylon-Mitte. Der Typ, der nie die Hand gibt, sieht aus wie Kurt Krömer, meint aber alles ernst. Am Anfang meint er: »Manche Leute sagen zu mir, ist ja wenigstens sozial, was du machst. Wenigstens sozial, wie meinen die das?« (jW)

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